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rot und rotKoalition in Plüsch

Jetzt ist es wohl Zeit, wieder die Klassiker zu bemühen. Einer von ihnen, Kurt Tucholsky, warnte die Seinen einmal singend: „Mache nie ’nen kleinen Kompromiss!“ Doch diese Warnung machte nur Sinn, wenn einer den andern über den Tisch ziehen wollte. Wenn alle aber friedlich am Senatstisch sitzen, erledigt sich auch Tucholskys Mahnung – wiebald wohl auch wieder jedes Erinnern an die Klassiker. Rot-Rot hat begonnen.

Kommentar von UWE RADA

Ob nun vier zu vier oder fünf zu drei spielt dabei keine Rolle. Schließlich geht es bei Rot-Rot nicht um alternative oder gar konkurrierende Politikentwürfe, sondern um die Eitelkeiten zweier Männer: Klaus Wowereit und Gregor Gysi. So hätte die PDS durchaus das einflussreiche Ressort Stadtentwicklung haben können, wenn, ja wenn nicht im letzten Moment Gregor Gysi auf die Kultur gepocht hätte. Repräsentieren statt gestalten, das eint die beiden Frontmänner von SPD und PDS. Vielleicht sollte man das neue Bündnis auch plüsch-plüschene Koalition nennen.

Dass die Inhalte dabei auf der Strecke bleiben, nun ja. Eigentlich müsste man ja jeden Neusenator an den Schuhen messen, die er vorfindet: Einen Kultursenator Gysi also an denen von Adrienne Goehler oder eine SPD-Finanzsenatorin von Wowereits Gnaden an der unbeirrbaren Politik von Christiane Krajewski. Im Streit um Sendeplätze bei Talkshows freilich spielt eher die Schuhfarbe eine Rolle als die Größe.

So wird die Spannung, die uns nach dem 17. Januar erwartet, wohl weniger darin bestehen, an welchen inhaltlichen Differenzen sich die Koalition als erstes reiben wird, sondern welche Diva der andern die Schau stielt. Vorhang auf, in Plüsch natürlich.

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