Koalition fördert Familien: Zweimal Pizzaessen mehr pro Kind
Mehr Kindergeld, weniger Arbeitslosenbeitrag und höhere Kassenbeiträge: Von den Koalitionsbeschlüssen profitieren große Familien - allerdings weniger, wenn sie Hartz IV beziehen.
Union und SPD haben am Sonntagabend im Koalitionsausschuss ein Entlastungspaket von 12 Milliarden Euro geschnürt. Die Krankenkassenbeiträge sollen erhöht, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll abgesenkt werden, das Kindergeld soll steigen. Das gesamte jährliche Entlastungsvolumen bezifferte CSU-Chef Erwin Huber auf 12 Milliarden Euro vom Jahr 2010 an. Davon entfallen fast 9 Milliarden Euro auf die Absetzbarkeit der Kassenbeiträge. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung können ab 2010 weitgehender als bisher von der Steuer abgesetzt werden. Dies geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück.
BERLIN taz ArbeitnehmerInnen müssen derzeit ihre Taschenrechner hervorziehen, um der aktuellen Sozialpolitik noch folgen zu können. Denn während der Beitrag für die gesetzlichen Krankenkassen steigt, wird der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung sinken. Gleichzeitig vereinbarte die Koalitionsrunde am Sonntag, das Kindergeld zu erhöhen. Von "Murks" sprach die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast. Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst, lästerte über das "Milchmädchen Merkel".
In Zahlen sieht die Rechnung so aus: Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung sinkt von Beginn des kommenden Jahres an von 3,3 Prozent auf 2,8 Prozent des Bruttolohns, also um 0,5 Prozentpunkte. Dieser Beitrag wird hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen. Wer also 3.000 Euro brutto verdient, kann sich über monatlich 7,50 Euro Ersparnis freuen.
Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA) war über die von der Regierung geplante Beitragssenkung allerdings nicht sonderlich begeistert und bezeichnete sie als "sehr enge Vorgabe". Es sei ein "gutes Zeichen", dass die Beitragsminderung Mitte 2010 "überprüft" und der Beitrag möglicherweise wieder erhöht werden solle, formulierte der Vorstand. Aus heutiger Sicht wären bei einem längerfristigen Beitrag von 2,8 Prozent im Jahr 2012 nämlich praktisch alle Reserven der BA einschließlich der sogenannten Liquiditätsreserve aufgebraucht.
Mit der Beitragssenkung wollte die Regierungskoalition die in der vergangene Woche beschlossene Belastung der Beschäftigten durch die Anhebung der Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen auf 15,5 Prozent ausgleichen. Diese Steigerung bedeutet eine Mehrbelastung von im Schnitt 0,5 Prozentpunkten vom Bruttolohn.
Im Einzelfall weichen die Werte allerdings ab: Für viele AOK-Versicherte etwa bringt der neue einheitliche Abgabensatz eine Erleichterung, denn sie zahlen heute einen höheren Beitrag. Für Versicherte der Technikerkasse allerdings bedeutet die Erhöhung Einbußen beim Nettogehalt, die auch nicht durch den niedrigen Beitrag für die Arbeitslosenversicherung völlig ausgeglichen werden.
Wer Familie hat, kann sich freuen: Die Koalitionsspitzen aus SPD und Unionsvertretern hatten sich auch auf eine Erhöhung des Kindergeldes von monatlich jeweils 10 Euro für die ersten beiden Kinder und 16 Euro für das dritte Kind geeinigt. Das sind zweimal Pizzaessen oder zwei Zoobesuche mehr im Monat. Die Erhöhung des Kindergelds von Beginn kommenden Jahres an kostet die Steuerzahler 2,1 Milliarden Euro pro Jahr. Der steuerliche Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer für jedes Kind steigt um 200 Euro auf 6.000 Euro im Jahr.
Eine Familie mit drei Kindern habe wegen des höheren Kindergeldes pro Jahr 432 Euro mehr in der Tasche, rechnete Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor. Das gilt allerdings nicht für Familien auf Hartz IV. Sie bekommen nicht mehr Geld, weil das Kindergeld auf die Sozialleistung angerechnet wird. Die SPD setzte jedoch durch, dass Kinder von Hartz-IV-Empfängern bis zum 10. Schuljahr künftig jeweils zu Schuljahresbeginn einen Betrag von 100 Euro als "Schulbedarfspaket" für Lehrmittel bekommen.
Das von der Koalition beschlossene "Startgeld" für die Kinder von Hartz IV-Empfängern sei eine "klägliche Zuwendung", rügte der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth. Die Kinderleistungen für Hartz-IV-Familien müssten zumindest in Höhe der jetzt beschlossenen Kindergelderhöhung aufgestockt werden.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte davor gewarnt, das Kindergeld pauschal zu erhöhen. Stattdessen sollte mehr in die Infrastruktur für Familien investiert werden. Dazu zählen Sozialpolitiker etwa Kinderbetreuung und ein kostenloses Mittagessen an Schulen.
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