Kluges Spiel mit Mehrheiten: Obama trickst sich zum Erfolg
US-Präsident Obama hat in einer Woche drei große Siege errungen: Die Steuerreform, die Stärkung der Rechte Homosexueller bei der Armee und den START-Vertrag. Wie nur?
WASHINGTON taz | US-Präsident Barack Obama hat sich in der vergangenen Woche als vermittelndes Sozialtalent bewiesen. Durch unermüdliche Überzeugungsarbeit hat er binnen einer Woche die größte Steuerreform des Landes, die Abschaffung eines diskriminierenden Homo-Gesetzes und den START-Vertrag durchgeboxt. Durch eine Instanz zumal, die als "Gesetzesverhinderungskammer" gilt: den Senat.
"Es ist viel schwerer, dort ein Gesetz durchzubringen, als es zu verhindern", sagte kürzlich ein frustrierter Parlamentsabgeordneter: Das noch bis Ende des Jahres von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus habe seit Obamas Amtsantritt hunderte von Gesetzen vorbereitet, die im 100-köpfigen Senat gar nicht erst behandelt worden seien. Gesetze brauchen dort mindestens eine 60-Stimmen-Mehrheit. Für manche sieht die Verfassung sogar eine Zweidrittelmehrheit vor.
In den USA werden die Gesetzesvorlagen zumeist vom Repräsentantenhaus eingebracht. Doch viele Gesetzesvorlagen scheitern bereits daran, dass sie der Senat gar nicht erst beachtet werden. Ist das der Fall, kommt es meistens zu Veränderungen des Textes. Dann muss er wieder zurück ins Repräsentantenhaus, wo ein Vermittlungsausschuss sich der veränderten Fassung annimmt. Auch dieser Prozess kann sich über Monate hinziehen.
Obama hat diese Erfahrung zuletzt bei seinem Herzensanliegen, der Gesundheitsreform, gemacht. Gerettet hatte er sie durch einen Trick. Eine Art von Gesetzen kann aus Notgründen im Senat ohne die erforderliche Mehrheit von 60 der 100 Stimmen verabschiedet werden: Gesetze, die die Staatskasse betreffen. Also deklarierte Obamas Regierung die Gesundheitsreform schlichtweg als Haushaltsgesetz. Damit genügte die einfache Mehrheit von 51 Stimmen.
Dass Obama das START-Abkommen noch vor der Weihnachtspause durch den Senat peitschen wollte, ist nicht verwunderlich: Noch kontrollieren die Demokraten dort 58 der 100 Sitze. Nach der Schlappe bei den Midterm-Wahlen schrumpft die Mehrheit ab Januar auf 53. Im Zweifel macht das keinen Unterschied: Solange die Demokraten nicht die nötige Mehrheit für ein Gesetz haben, können die Konservativen jedes Vorhaben durch als "Filibuster" bezeichnete Dauerreden totdebattieren.
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