piwik no script img

Klischee-Gedanken

■ Der Thalia-Treffpunkt hatte mit einem eigenen Stück Premiere

Am glücklichsten waren wohl die jungen Schauspieler selbst nach der Premiere des neuen „Thalia Treffpunkt“-Stückes Katastrophen am Samstag. Ihr befreites Jubeln und Jauchzen erinnerte einen: Es sind Amateure, die da im TiK etwas Selbstgeschriebenes spielen. Wer sich mitfreute, nahm's auch nicht mehr so schwer, daß sie gemeinsam mit der jungen Regisseurin Kristina Faust kein grandioses Stück zustande gebracht haben.

In Katastrophen denken Klischee-Figuren Klischee-Gedanken, während ihnen Klischee-Geschichten passieren. Ob die jungen Leute das ernst meinen oder mit Versatzstücken blödeln, fragt man sich vergeblich.

Ein geld- und mädchengeiler Jungunternehmer behandelt seine schwangere Frau schlecht. Währenddessen schlagen sich sein Buchhalter, seine Schwester und alle möglichen Bekannten mit Liebeskummer, Umweltzerstörung, Orientierungslosigkeit und Pseudonihilismus herum. Der Unternehmer weiht sein Büro ein und begrapscht die Freundinnen seiner Schwester. Dabei erwischt ihn die Frau, woraufhin die Katastrophe (!) in Gestalt von Lärm und fahlem Flackerlicht eintritt. Zu guter Letzt vertragen sich – scheinbar – alle, um dann gemeinsam zu singen.

Auf Slapstickszenen im Sinne Helge Schneiders folgen Reflexionen wie: „Die Natur bricht zusammen, und der Mensch ist der Verursacher.“ Worüber die Zuschauer lachen sollen und worüber betroffen sein, bleibt auch bei den Personen rätselhaft. Es schwadroniert ein in Tod und Zerstörung verliebter Dichter, es nölt ein cooler Radiomoderator. Die blondblaublöde Sekretärin lächelt und will f..., besagte zurückgesetzte Schwangere tut empfindlich, und Firmeninhaber Klaus Dittmann spricht so hart, wie Klein-Fritzchen sich's vorstellt. Aber bei aller Liebe: Zum Schluß mit billigsten Kitsch-Pianoballaden-Akkorden den mitklatschenden Zuschauern Gänsehäute den Rücken herunterzujagen, das geht dann doch zu weit.

Thomas Weihe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen