Klimaschutz kostet Geld: Reiche sollen zahlen
Forscher legen neues Konzept zur Minderung der Treibhausgase vor: Wer über 20 US-Dollar am Tag verdient, soll für die Klimaschutzmaßnahmen zahlen.
BERLIN taz Die reichen Staaten müssen sich stärker am Klimaschutz beteiligen als bisher. Das ist das Fazit eines neuen Konzepts renommierter internationaler Forscher. Durch dieses sollen die Kosten für die Senkung der Treibhausgasausstoßes weltweit gerechter verteilt werden. Dabei soll armen Ländern ermöglicht werden, ihre Wirtschaft zu erweitern, auch wenn sie dabei ihre Emissionen steigern. "Es ist das erste Modell, das sowohl die Klima- als auch die Armutskrise angeht", sagte Klimaforscher Sivan Kartha vom Stockholm Environment Institute (SEI) am Freitag.
Es geht um eine Menge Geld. Experten schätzen, dass die Welt derzeit jährlich eine Billion US-Dollar für den Klimaschutz ausgeben sollte, um die Erderwärmung auf ein beherrschbares Ausmaß zu begrenzen. Denn nur dann, meint Kartha, könne der Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius zu halten. Mit dem Geld würden unter anderem Kohlekraftwerke durch Solarstromanlagen ersetzt oder Bäume angepflanzt, die den Klimakiller Kohlendioxid binden.
Kartha und seine Kollegen berechneten nun Vorschläge für die Anteile einzelner Länder an diesem Aufwand. Dabei berücksichtigen sie, wie reich die jeweiligen Staaten sind. Wer mehr Einwohner hat, die mehr als 20 US-Dollar pro Tag verdienen, soll mehr reduzieren und zahlen. Dieser Betrag liegt weit über der Armutsgrenze, denn die Länder sollen nicht nur gerade dem Hunger entkommen, sondern echten Wohlstand generieren können. Das andere Kriterium, das Kartha in seine Kalkulation einfließen lässt, ist der bisherige Ausstoß an Treibhausgasen. Wer bislang viel emittiert, muss mehr tun als andere.
Das Ergebnis: Die Europäische Union trägt 20,8 Prozent der Verantwortung. Das entspricht einem Aufwand von immerhin 208 Milliarden Dollar pro Jahr. Eine Vergleichszahl, wieviel die Union derzeit ausgibt, konnte der Wissenschaftler nicht nennen. Die Mitgliedsstaaten sollten laut Kartha ihre Emissionen bis zum Jahr 2020 um 75 Prozent im Vergleich zum Niveau von 1990 senken. Bisher plant die Union nur eine Reduzierung um 20 Prozent. Dabei ist bereits eingerechnet, dass die EU auch außerhalb ihrer Grenzen zum Klimaschutz beiträgt und so ihre eigene Emissionsbilanz verbessert.
"Der Beitrag der Staaten mit dem niedrigsten Nationaleinkommen dagegen ist wirklich zu vernachlässigen", sagte der Wissenschaftler bei der Vorstellung des Konzepts im Berliner Sitz der Heinrich-Böll-Stiftung. Das wird besonders afrikanische Länder freuen. Von China wiederum erwartet Kartha mehr als bisher: Für den aufstrebenden Giganten in Asien mit seiner wachsenden Mittelschicht hat er einen Anteil von 13,8 Prozent kalkuliert. "Die bisherige Aufteilung in Industrie- und Entwicklungsländer beim Klimaschutz ist zunehmend von der Realität überholt", erklärte der promovierte Physiker.
Deutschlands Ziel, die Emissionen um 40 Prozent zu senken, lobte Kartha. Aber dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur selben Zeit den Grundstein für ein neues Kohlekraftwerk legte, kritisierte er als "beunruhigend".
Leser*innenkommentare
bernhard wagner
Gast
Danke, Anja K. für den guten Hinweis. Trotzdem befürchte ich, dass es da so ähnlich wie sonst mit den Steuern läuft, nämlich im Verhältnis Lohnempfänger_innen mehr zu belasten, als die Leute, deren Einkommen aus Zinsen ihrer vom Bankgeheimis behüteten Millionen und Milliarden (in Euro, US Dollar, Schweizer Franken u.s.w.) schon allein ein Vielfaches sogar von dem ist, was z.B. ein Prof. an der Uni bekommt. Und da diese Einkommen so schön geheim gehalten werden können, ist zu befürchten, dass die anderen eben doch relativ mehr belastet werden, als es zunächst trotz des guten Ansatzes scheint.
Anja Kollmuss
Gast
Genau diese Diskrepanz zwischen Armen und Reichen, wird im GDR Ansatz geloest: alle Reichen (Reicheren) muessen bezahlen, auch die, die in armen Laendern wohnen.
Mehr detailes finden Sie auf:
http://www.sei-us.org/climate-and-energy/GDR.html
Bark Wind
Gast
Als jemand, der weiß, was es heißt, an der für Deutschland und vergleichbare Länder definierten Armutsgrenze zu leben, finde ich das Rechnen in nationalen Durchschnittseinkommen fragwürdig. Was ist mit den (Dollar-)Millionären in Asien, Südamerika u.s.w.? Und die ganz großen Kapitalisten verstecken ihre Vermögenswerte sowieso in so genannten "Steueroasen".