Klimaschutz in Parlament und Regierung: Weltweit hui, zu Hause pfui

Bundesregierung und Bundestag kassieren unauffällig ihre Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz. Auch die Grünen haben andere Sorgen als den UN-Gipfel in Katar.

Verfehltes Ziel: Die Autos der Fahrbereitschaft des Bundestages dürfen mehr Kohlendioxid ausstoßen als geplant. Bild: dapd

BERLIN taz | Deutschland sieht sich gern als Musterknabe beim Klimaschutz: „Unser Land wird wie kein anderes mit dem Klimaschutz identifiziert“, sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) vergangene Woche. Doch zu Hause schwindet die Begeisterung der Politik für den Klimaschutz: In der letzten Zeit haben Parlament und Regierung still und heimlich ihre Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz kassiert.

Wenn Altmaier nächste Woche nach Doha fliegt, um beim UN-Klimagipfel in Doha für die deutsche Energiewende zu werben, kann er sich nicht wie sonst auf eine offizielle Delegation des deutschen Parlaments stützen. Das Präsidium des Bundestags hat den Antrag des Umweltausschusses für diese Dienstreise abgelehnt.

Es handele sich um eine „Regierungskonferenz, bei der Parlamentarier an den Verhandlungen gar nicht teilnehmen können“, hieß es auf taz-Anfrage. Es sei „ständige Praxis, dass nur solche Delegationsreisen genehmigt werden, die im originären parlamentarischen Interesse liegen“.

Bislang war das kein Problem: In den letzten Jahren habe es immer eine offizielle Delegation gegeben, sagt die Ausschussvorsitzende Eva Bulling-Schröter (Linke). Und bei aller berechtigten Sparwut im Präsidium: 2012 sei der Umweltausschuss überhaupt noch nicht verreist, sagen andere Mitglieder.

Kein Umweltausgleich für Dienstflüge

Nun fahren nur noch wenige Abgeordnete, und die auf Kosten ihrer Fraktionen. „Dass die deutschen Abgeordneten nicht mehr als Delegation fahren, ist natürlich ein symbolisches Zeichen“, sagt Bulling-Schröter. Auch der grüne Querdenker in der Unionsfraktion, Josef Göppel (CSU), bleibt diesmal wegen privater Termine zu Hause. Auch der deutsche Chef des Umweltgremiums im Europa-Parlament, Jo Leinen (SPD), spart sich die Reise an den Persischen Golf.

Anzeichen dafür, dass der Klimaschutz auf der politischen Agenda nicht mehr oben steht, gibt es schon länger. Vor zwei Jahren entschied der Haushaltsausschuss des Bundestags, Dienstflüge von Regierung und Parlament künftig nicht mehr durch Umweltschutzmaßnahmen auszugleichen – anders als 2007, als Angela Merkel (CDU) als „Klimakanzlerin“ gefeiert wurde. Der Haushaltstitel 53102, in dem die letzten Jahre bis zu 4,8 Millionen Euro Kompensation eingestellt war, wird im Bundesetat 2013 ersatzlos wegfallen.

Auch von einer anderen lästigen Umweltauflage hat sich das Parlament befreit: Die Dienstwagen der Fahrbereitschaft müssen in Zukunft nicht mehr den strengeren Abgasnormen entsprechen. Ursprünglich hatte sich das Parlament verordnet, dafür zu sorgen, dass die 150 Autos der Fahrbereitschaft ab 2012 nicht mehr als 120 Gramm des Treibhausgases Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht.

Jetzt wird die Obergrenze wieder auf 140 Gramm heraufgesetzt, beschloss der Ältestenrat Ende Oktober; die 120 Gramm sind nur noch ein „Ziel“. Zum Vergleich: Die EU-Kommission will bis 2020 einen Höchstwert von 95 Gramm für alle Neuwagen durchsetzen.

Kandidatenkür statt Klimakonferenz

Die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen ist über diese Rückschritte empört. Schließlich hatte sie beide Vorhaben damals auf den Weg gebracht. Sven-Christian Kindler, Mitglied im Haushaltsausschuss, nennt es „ein Armutszeugnis, dass Union und FDP für die Dienstreisen von Bundestag und Regierung keine Vorbildfunktion mehr übernehmen wollen“.

Allerdings ist den Grünen das Thema auch ein bisschen peinlich. Denn zum ersten Mal seit Langem wird kein deutscher grüner Bundestagsabgeordneter an der Klimakonferenz teilnehmen. Der Klimaexperte Hermann Ott muss sich just zur Zeit der entscheidenden Verhandlungen in Doha seiner wütenden Basis stellen, die die Landesliste Nordrhein-Westfalen für die nächste Bundestagswahl aufstellt und ihn schon mit einem schlechten Listenplatz abgestraft hat – Ott kandidiert für Platz 18 der Liste und muss um seinen Platz im Parlament bangen.

Und auch Bärbel Höhn, ebenfalls Umwelt- und Klimaexpertin der grünen Fraktion, zieht die basisdemokratische Listenaufstellung in ihrem Heimatverband der Weltkonferenz vor. Weil sich der klimapolitische Sachverstand bei den grünen MdBs in NRW konzentriert, verzichtet die Fraktion ganz klimaschonend auf die Flüge nach Doha.

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