Klimaschutz-Förderung in Niedersachsen: Hilfe für die Helfer
Gemeinnützige Träger von Kitas oder Wohnungslosenhilfen sind bei Klimaschutzmaßnahmen gegenüber Investoren benachteiligt. Niedersachsen will das ändern.

„Wir legen damit den Grundstein für sozialen Klimaschutz in Niedersachsen“, sagte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen Klimaschutz- und Energieagentur, Umweltministerium und Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen am Freitag. Das millionenschwere Projekt soll gemeinnützigen Trägern von Kitas, Suchtberatungen, Frauenhäuser oder Altenpflegeeinrichtungen helfen, größere Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Bisher sind sie dabei gegenüber Privatinvestoren in der EU-Förderung benachteiligt.
Kiss, angedockt an die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen, Laufzeit bis 2029, mit knapp 3,5 Millionen Euro finanziert durch das niedersächsische Umweltministerium, geht auf Marie Kollenrott zurück. Sie ist Sprecherin für Klimaschutz der Grünen-Landtagsfraktion Niedersachsen und Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz. „Der Klimawandel ist die große Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit. Er trifft alle Menschen, aber Marginalisierte besonders stark“, sagt sie der taz. „Diese gesellschaftlichen Gruppen dürfen wir nicht vergessen. Der Sozialstaat darf nicht vernachlässigt werden.“
Private Träger können Förderungen abgreifen
Der Klimawandel stellt die frei-gemeinnützige Sozialwirtschaft der Wohlfahrtspflege, von der AWO bis zur Caritas, in Niedersachsen sind in diesem Bereich mehr als 300.000 Mitarbeitende und 500.000 Ehrenamtliche in rund 8.000 Einrichtungen und Diensten aktiv, vor ein Problem: Während ihre privat-gewerbliche Konkurrenz Gewinne erwirtschaften darf und dadurch Rücklagen bilden kann, die dann für Investitionen in Fassadendämmung und Photovoltaik zur Verfügung stehen, für den Einbau von Wärmepumpen und den Umbau von Fahrzeugflotten auf E-Mobilität, ist ihr das verwehrt.
„Die privaten Träger können Förderungen abgreifen, die wir nie bekommen würden“, sagt Martin Fischer, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen. „Gleichzeitig ist die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit ein gewaltiges Thema. Gerade kleinere Einrichtungen sind da schnell überfordert. Das wird dann zur Existenzfrage.“
Viele Liegenschaften stammen aus den 1960er bis 1980er Jahren und brauchen Investitionen. Es gelte, „gemeinsam zu überlegen, wie wir das hinkriegen“, sagt Fischer. „Da wird nicht nur geredet, da wird wirklich was getan.“
Kiss ist „Hilfe zur Selbsthilfe“
Kiss ist bundesweit einzig in seiner Art und ist, so Kollenrott, eine „Hilfe zur Selbsthilfe“, die „ein Mittel zum sozial gerechten Klima- und damit zum Demokratieschutz“ ist. Das soll verhindern, „dass Teile der Sozialwirtschaft wegbrechen, weil sie den Transformationsprozess hin zur Treibhausgasneutralität nicht stemmen können“, sagt Kollenrott.
Kiss umfasst Vernetzung und Beratung, es geht um Sanierungspotenziale und Finanzierungschancen. Die „Herausforderungen“, so Kollenrott, reichen vom steuerrechtlichen Status ihrer Gemeinnützigkeit bis zur Zweckbindung und zwingend zeitnahen Verwendung ihrer Mittel. Das Projekt reicht zwei Jahre über das Ende der Legislaturperiode hinaus. Und federführend ist das Umwelt-, nicht das Sozialministerium.
Kollenrott spricht von einem „Win-Win-Win-Modell“: Der Staat, Träger der Betriebskosten der Einrichtungen, spart Geld, wenn sich deren Energiebilanz verbessert. Die Einrichtungen lernen wie das geht, trotz ihrer Nachteile gegenüber der Privatwirtschaft. Und auch die Kommunen profitieren, etwa indem sie Energiepartner der Sozialwirtschaft werden.
Für viele Kindertagesstätten und Frauenhäuser, für viele Einrichtungen der Jugendhilfe, Einrichtungen für Wohnungslose und Ältere, Werkstätten für Behinderte, für viele Sucht-, Schuldner- und Familienberatungen, Pflegedienste, ist Kiss also eine gute Nachricht.
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