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Klimaprotest in BerlinGitarre für den Klimaschutz

In Berlin blockieren die KlimaaktivistInnen von Extinction Rebellion an vielen Standorten die Straßen – die Polizei reagiert besonnen.

AktivistInnen von Extinction Rebellion mit Gitarren am Großen Stern um die Siegessäule Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin taz | Die TouristInnen am Potsdamer Platz, die wie üblich vor dem bunten Fake-Mauer-Stück für ein Foto posieren, staunen nicht schlecht: Punkt 11.15 Uhr strömen Hunderte Menschen auf die Kreuzung – mit Sofas und Blumentöpfen, Regalen, Isomatten und Thermoskannen. Binnen weniger Minuten wird ein „Wohnzimmer“, ein „Garten“, eine „Kunstecke“ eingerichtet. Eine Frau greift zum Megafon – im Folgenden wiederholt die Menge jeden ihrer Halbsätze, sodass sich die Information in Windeseile verbreitet: „Wir warten auf den Truck mit Bühne und Zelten. Bis dahin können wir es uns gemütlich machen.“

Für Berliner AutofahrerInnen war der Montag vermutlich die Hölle – für Klimapolitik-Bewegte war die Aktion #Berlinblockieren von „Extinction Rebellion“ (XR) zum Auftakt der angekündigten Aktionswochen ein voller Erfolg.

Auch andere Gruppen folgten dem Aufruf von XR. So versammelten sich um 7 Uhr morgens mehrere hundert AktivistInnen mit Fahrrädern am Frankfurter Tor in Berlin-Friedrichshain. Die Sektion „Fette Kette“ der Hedonistischen Internationalen hatte zur „Richtigen Radtour im Falschen“ aufgerufen. Die Polizei blockierte zunächst und verlangte eine Anmeldung als Demo, die Tour konnte dann aber doch als regulärer Verkehrsteilnehmer weiterfahren. Die Reaktion der AutofahrerInnen reichte von unterstützendem Klatschen bis zu ausfallenden Beleidigungen. Die Fahrradtour erreichte gegen Mittag eine weitere Blockade im Tiergarten.

Dort hatten bis zu tausend AktivistInnen ab vier Uhr in der Früh die Zufahrtsstraßen zum Großen Stern mit der berühmten Siegessäule blockiert, eine der zentralen Verkehrsachsen der Hauptstadt. Die Polizei hatte offenbar Order, die Proteste zuzulassen. Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte am Vormittag im RBB-Inforadio, man werde das Ganze erst einmal als „Demonstration“ betrachten und „mit Augenmaß“ vorgehen, solange es friedlich bliebe.

Auffallend friedlich

Tatsächlich ist „friedlich“ eine zentrale Vokabel, um das Vorgehen von XR – der „Rebellion gegen die Auslöschung“ – zu beschreiben. Die vorwiegend jungen Menschen sowohl am Potsdamer Platz als auch am Großen Stern sind auffallend achtsam und freundlich zueinander, ebenso zu Passanten und Polizisten.

Diese Atmosphäre hat es auch Will, 34, aus Erlangen, angetan und ihn ermutigt, allein nach Berlin zu fahren: „Es ist so schön, es gibt keine Drogen, kein Geschrei, keine Gewalt. Jeder ist hilfsbereit.“ Er habe zuvor noch nie an derartigen Ak­tionen teilgenommen, habe aber auf dem Weg nach Berlin sofort Anschluss an „tolle Menschen“ gefunden.

Zusammengekommen sind viele AktivistInnen, darunter SchülerInnen der Fridays-for-Future-Bewegung, aber auch sichtlich Ältere, bereits am Wochenende beim Klimacamp neben dem Kanzleramt. 2.200 Teilnehmende zelten hier laut XR, viele seien aus den skandinavischen Ländern, aus Polen und Italien angereist.

Sogar die Polizei scheint angetan. Bislang habe es keine Festnahmen gegeben, sagte ein Sprecher am Mittag, auch die Teilnehmer des Camps seien „sehr kooperativ“.

Die Kooperation hat aber ihre Grenzen: Eine „Arche“ aus Holz, die XR-AktivistInnen aus Frankfurt am Main mitgebracht hatten, durfte nicht auf dem Kreisverkehr um den Großen Stern aufgebaut werden, die AktivistInnen mussten sie auf der Mittelinsel zusammenzimmern. Für die kommende Nacht sei das schlecht, befand ein Aktivist bei einer Beratung von rund 40 Leuten am späten Vormittag. „Ohne die Arche auf der Straße wird es schwieriger zu blockieren.“

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3 Kommentare

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  • Und wieder geht ein Stück Rechtsgleicheit verloren! Das Image des Innensenators darf nicht beschädigt werden. Reagiert die Polizei auch dann so gelassen, wenn die Späti-Betreiber für eine Woche den Potsdamer Platz blockieren, um ihre Öffnungszeiten zu erhalten? Aber das sind ja dann nicht die "Guten", sondern die "Bösen". Wer wozu gehört entscheiden wir dann von Fall zu Fall.

  • „Wir warten auf den Truck mit Bühne und Zelten. Bis dahin können wir es uns gemütlich machen.“

    Steckte der auch in der Blockade fest?

  • "....Für Berliner AutofahrerInnen war der Montag vermutlich die Hölle..."



    Nichts gegen die Hölle, die Autofahrer den Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV- benutzern jeden Tag antun. Öffentlichen Raum vollparken, Staus verursachen, Luft verschmutzen, zwischen den Staus rasen, drängeln, hupen usw.



    Gerecht ist nur, diesen z.T. schon apokalyptischen Auto- und PS- Wahn in Städten zu stoppen.

    Weiter so, XR !