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Der Kommentar

Klimakrisen-Bewältigung Vorauszahlung für Katastrophen!

Die kommenden klimakrisenbedingten Katastrophenschäden können nicht alle vom Staat finanziert werden. Ein Vorschlag.

Die Häufigkeit von Naturkatastrophen wird mit der Klimakrise wohl zunehmen. Foto: Thomas Frey/dpa

Von UDO KNAPP

Starkregen, Überschwemmungen, Erdrutsche, Hitzewellen und in deren Folge Zerstörungen in der gesamten öffentlichen Infrastruktur, von Betriebstätten und Häusern, mit Toten und Verletzten – solche Naturgewalten werden in Zukunft häufiger auftreten. Selbst wenn in immer neuen völkerrechtlichen Verträgen versucht wird, die destruktiven Wirkungen des Klimawandels zu begrenzen, wird es mindestens die Lebenszeit von zwei, drei Generationen brauchen, bis die beschlossenen Maßnahmen im Weltklima stabilisierende Wirkungen zeigen.

Nicht mehr als Vor-Ort-Gummistiefel-Versprechen

In der Klimapolitik spielen diese Naturkatastrophen aber kaum eine Rolle. In den Debatten um die Ökologisierung der Industrien, deren Wirkungen auf den Arbeitsmarkt, den sozialen Zusammenhalt und die Demokratien wird ein systematischer Umgang mit der zerstörerischen Gewalt des Klimawandels für das alltägliche Leben nicht erörtert.

Wie in der aktuellen Überschwemmungskatastrophe zu beobachten, reicht es bei den politischen Verantwortlichen allenfalls für Vor-Ort-Gummistiefel-Versprechen von zügiger und unbürokratischer Hilfe, für Jetzt-muss-es-aber-wirklich-schneller-gehen-Ankündigungen in der Klimapolitik und skandalisierende Suche nach Verantwortlichen für angeblich defizitäres Krisenmanagement.

Es braucht finanzielle Absicherung

Die in der letzten Woche beschlossenen 400 Millionen Euro Soforthilfe von Bund und Ländern und der angekündigte, wahrscheinlich milliardenschwere Sonderfonds für die Wiederherstellung der Infrastruktur sind richtige Maßnahmen. Sie helfen den Betroffenen und bringen einen jahrelang dauernden Reparaturprozess auf den Weg. Aber politisches Handeln, das nur auf das je aktuelle Katastrophengeschehen bezogen ist, reicht nicht aus, um die Gesellschaft, alle Bürger, die Infrastruktur und die Wirtschaft in den sich häufenden Naturkatastrophen soweit abzusichern, dass das gesellschaftliche Leben nicht zusammenbricht. Dazu braucht es einen weiter gefassten Ansatz.

Der Grundgedanke für diesen Ansatz ist einfach: Die im Klimawandel zu erwartenden Katastrophen können nicht dauerhaft vom Staat aus seinen aktuellen Haushalten durch Kürzungen an anderer Stelle oder zusätzliche Kredite finanziert werden. Für solche Katastrophen, die auch die Folge unseres Lebensstils sind, muss von allen Bürgern gemeinsam zusätzlich Vorsorge getroffen werden. Analog zu der für jeden Bürger pflichtigen Krankenversicherung, der Pflegeversicherung oder der Kfz-Versicherung, muss die gesamte Gesellschaft finanzielle Polster zur Bewältigung der Öko-Katastrophen schaffen. Fonds, aus denen nach klaren Regeln finanzielle Mittel eingesetzt werden, mit denen die Folgen von Öko-Katastrophen gemildert und der jeweilige Neuanfang immer wieder ermöglicht wird.

Die Debatte um eine Elementarschadenversicherung ist nicht neu

Für diese Aufgabe gibt es bisher nur einen privaten Versicherungsansatz. Jeder Haus- und Grundbesitzer hat die Möglichkeit, seine Gebäudeversicherung um eine Elementarschadenversicherung zu ergänzen. Das ist je nach Gefahrenklasse, die die Versicherungswirtschaft erfunden hat, kostspielig und sogar oft unbezahlbar. Nur 46 Prozent aller Haus- und Grundeigentümer haben eine solche Versicherung abgeschlossen. Die Folge ist, dass für diejenigen, die sich die Prämie gespart haben, der Staat als Generalversicherer eintreten muss. Bayern will jetzt denjenigen, die keine private Elementarschadenversicherung abgeschlossen haben, nur die Hälfte der möglichen Soforthilfe auszahlen. Außerdem ist der Zuschuss gedeckelt, zum Ersatz von Hausrat liegt er bei 5.000 Euro.

„Für solche Katastrophen, die auch die Folge unseres Lebensstils sind, muss von allen Bürgern gemeinsam zusätzlich Vorsorge getroffen werden.“

– Udo Knapp

Vor diesem Hintergrund wird eine Debatte über die Einführung einer Katastrophenpflichtversicherung geführt, einer pflichtigen Elementarschadenversicherung für alle. Die Debatte ist nicht neu. In Baden-Württemberg hat es eine solche Pflichtversicherung für Elementarschäden bis 1994 gegeben. Sie wurde im Vertrauen auf den privaten Versicherungsmarkt aufgehoben. Der Bundesrat hat 2015 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Einführung einer Pflichtversicherung abgelehnt hat, weil damit „das Engagement des Staates, sowie der Bürger, kollektive und individuelle Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung von Schadensrisiken durch Naturkatastrophen gehemmt werden könnte.“ Die Arbeitsgruppe ist davon ausgegangen, dass die Versicherungswirtschaft aus eigenem Interesse ausreichend private Versicherungsprodukte für Elementarschäden am Markt platzieren würde.

Alternative Absicherungssysteme der Zukunft

Nach den jüngsten Überschwemmungen ist aber klar geworden, dass die Versicherungswirtschaft die Risiken der zu erwartenden Klima-Naturkatastrophen am privaten Markt nicht so absichern kann, dass sie gewinnträchtig und gleichzeitig für die Bürger bezahlbar wären. Klar ist auch geworden, dass der Staat nicht über die Mittel verfügt, um als Ersatzversicherer für jeden Ökoschaden aufzutreten, der die Bürger in Zukunft treffen wird. Innenminister Horst Seehofer(CSU) hat bei der Verkündung der Soforthilfe für die aktuelle Katastrophe erklärt, „dass über ein neues Absicherungssystem der Zukunft diskutiert werden muss“. Die Lastenverteilung zwischen Staat, Versicherern und Bürgern im Öko-Katastrophenfall müsse neu geregelt werden.

Zwei Varianten und eine sofortige Korrektur im Baurecht sind vorstellbar.

1. Es wird eine Öko-Klima-Katastrophen-Abgabe in Höhe von 0,2 Prozent auf die Einkommensteuer aller Bürger und 0,2 Prozent auf die Körperschaftsteuer aller Unternehmen erhoben. Die eingeworbenen Mittel werden zweckgebunden in einem Sondervermögen des Bundes verwaltet und im Katastrophenfall ausgereicht, nach festen Regeln gedeckelt.

2. Wie bei der Pflegeversicherung wird ein fester Prozentbetrag der Einkommen aller Bürger für den dauerhaften Einsatz im Öko-Katastrophenfall erhoben und von einer öffentlich-rechtlichen Versicherung nach festen Regeln bewirtschaftet.

Zu beiden Varianten gehört ein breites Angebot für zusätzliche, freiwillige Elementarschadensversicherungen der privaten Versicherungswirtschaft.

3. Die Korrektur: Im Baurecht wird sofort verbindlich geregelt, dass Baugenehmigungen oder Genehmigungen zur Wiedererrichtung von im Katastrophenfall zerstörten Häusern an gleicher Stelle nicht erteilt werden, damit man beim nächsten Mal nicht wieder das vom Wasser weggerissene Haus wieder aufbauen muss. Auch brauchen die Flüsse Platz, um sich ausbreiten zu können, ohne Schäden zu verursachen. Die Kommunen werden dabei unterstützt, Ersatzgrundstücke zur Verfügung zu stellen. Für das Ausweisen neuer Baugebiete werden Klima-Ausschlusskriterien für alle potentiell gefährdeten Grundstücke festgelegt.

Der ökologische Umbau der Industriegesellschaft und das Bewältigen der Klimakrise wird auch im privaten Leben jedes Einzelnen zu Katastrophen und großen Umbrüchen führen. Um so wichtiger sind öffentliche, staatlich garantierte Sicherheitsplanken, die die unvermeidbaren Belastungen im Wandel erträglich halten und Eigeninitiative beim Neuanfang fördern.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig für taz FUTURZWEI.