Klimakongress des BDI: Geschäftsmodell klimafreundlich
BDI-Präsident Siegfried Russwurm fordert auf seinem Klimakongress mehr grüne Politik. Freilich im Sinne der Unternehmen.
Bereits im vergangenen April sorgte Russwurm für einigen Wirbel, als er die bisherige Regierungszeit der Ampelkoalition als „zwei verlorene Jahre“ bezeichnete. Nun lud der BDI ins Futurium zum siebten Klimakongress des Verbandes ein. In diesem „Haus der Zukünfte“, zentral gelegen zwischen Hauptbahnhof und Deutschem Bundestag, sollen Ideen und Denkanstöße für eine nachhaltige Zukunft entstehen.
Auch für den BDI ist die Zukunft mittlerweile grün: „Der globale Klimawandel ist Realität – und er erfordert globale Antworten“, sagte Russwurm. Deshalb sei es gut, dass Deutschland sich ambitionierte Ziele vornehme. „Die Industrie kann und will Transformation erfolgreich gestalten“, so Russwurm.
Das mag auch daran liegen, dass das Geschäftsmodell der einst starken deutschen Industrie nicht mehr rundläuft. Sie produziert derzeit weniger als vor Ausbruch der Coronakrise. Der Energiepreisschock infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine traf besonders energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie schwer. Der Fachkräftemangel, zunehmender Protektionismus im Welthandel und wachsende Konkurrenz aus China tun ein Übriges.
Selbstkritik hatte Russwurm nicht zu bieten
Die Zukunftsaussichten der Industrie sind deshalb eingetrübt. Laut einer Studie der Boston Consulting Group und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des BDI ist ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung in Deutschland gefährdet. Gleichzeitig bietet die Transformation aber auch Chancen. Die Berater*innen beziffern das Umsatzpotenzial neuer Zukunftsmärkte wie Klimaschutz, Digitalisierung, Gesundheit und Sicherheit bis 2030 auf 15 Billionen Euro. Dafür sind aber laut der Studie zusätzliche Investitionen von 1,4 Billionen Euro nötig.
„Wir brauchen dafür einen Kurswechsel der Politik, der Ökologie und Ökonomie in eine Balance bringt“, forderte Russwurm. Seinem Willen nach soll die Ampel noch drei Dinge angehen: Erstens sollen die Netzentgelte aus dem Bundeshaushalt mitfinanziert werden, zweitens soll ein neues Strommarktdesign Versorgungssicherheit gewährleisten und drittens sollen die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen deutlich beschleunigt werden.
„Es muss in der gesamten Breite gelingen, den Verfall der bestehenden Infrastrukturen zu stoppen“, forderte Russwurm zudem eine Investitionsoffensive, einen „Hochlauf von Wasserstoff“ sowie niedrigere Strompreise. So braucht es neben kurzfristigen Maßnahmen laut Russwurm „einen langfristigen, realistisch umsetzbaren Fahrplan für die Zukunft des Standorts Deutschland, der industriepolitisch über alle Handlungsfelder hinweg auf klimaneutrales Wachstum ausgerichtet ist“. Am liebsten wäre dem Lobbyisten dafür ein Schulterschluss aller politischen Parteien über Wahlperioden hinweg im Sinne der Industrie.
Womit Russwurm allerdings nicht aufwartete, war Selbstkritik, was die Industrie in Sachen Transformation vielleicht selbst verbockt hat. Dabei ist er selbst Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, einem Konzern, der derzeit in der Krise steckt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen