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KlimaKlimaschutz außer Kontrolle

Berlin ist stolz auf seine Klimabilanz. Doch Umweltschützer kritisieren, dass die Zahlen über CO2-Emissionen nichts aussagen, weil die Berechnungsmethode gewechselt hat.

Es gibt viel zu tun: die neue Kampagne zur CO2-Gebaeudesanierung am Montag vor dem Hauptbahnhof Bild: AP

SCHLECHTES KLIMA

Bis 2050 will Berlin seinen Verbrauch von Kohlendioxid um 80 Prozent der Menge von 1990 senken - laut einer Vereinbarung der 40 größten Städte der Welt am Rande der Klimakonferenz von Bali im Dezember. Bis 2010 muss aber erst mal eine 25-Prozent-Reduktion, bezogen auf 1990, geschafft werden. Davon sind angeblich 20 Prozent vollbracht - aber vor allem wegen des Zusammenbruchs der Industrie. All die Zahlen sind nun durch die Zweifel an der Berechnung unsicher geworden.

Sie ist so etwas wie die Messlatte für Berlins Fortschritt beim Klimaschutz: Die Klimabilanz des Landes zeigt auf, wie viel Kohlendioxid im Vergleich zum Jahr 1990 eingespart wurde. Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) verweist gerne auf diese Zahlen: Bis 2004 habe man im Vergleich zur Wiedervereinigung das CO2 um etwas mehr als 20 Prozent reduzieren können, freute sie sich. "Berlin setzt im Klimaschutz Maßstäbe." Kein Wunder: Auch sie wird sich daran messen lassen müssen, ob der Kohlendioxidausstoß Berlins weiter sinkt.

Fragt sich nur, ob die Klimabilanz darüber wirklich etwas aussagt. Hartwig Berger vom Verein Berlin 21, einem Netzwerk verschiedener Initiativen für Nachhaltigkeit, bezweifelt das. Er hat sich die Daten näher angeschaut. Und festgestellt, dass die Berechnungsmethoden mehrfach wechselten. "Die Zahlen sind nicht zuverlässig. Mit denen kann man so gar nichts anfangen", sagte er der taz.

Ist Berlin beim Klimaschutz bis jetzt nur ein kleiner Hopser gelungen? Oder hat das Land einen größeren Satz nach vorne gemacht, als alle glauben? Beides ist möglich, glaubt Berger. "Die Emissionen könnten um 20 Prozent zurückgegangen sein oder nur um 15 oder gar um 23", sagt er. Genau wisse das niemand. "Das ist ein unerträglicher Zustand."

In die Klimabilanz fließen verschiedene Faktoren ein: der Verbrauch der Privathaushalte, der öffentlichen Gebäude, von Industrie und Verkehr. Kohlendioxidemissionen werden grundsätzlich nicht gemessen, sondern über die Verbrennung verschiedener Energieträger wie Gas, Kohle oder Öl errechnet.

Bei seinen Recherchen war Berger aufgefallen, dass sich die Emissionen sehr sprunghaft entwickelten. Besonders das Jahr 2002 erschien ihm rätselhaft. Der CO2-Ausstoß sei laut Statistik in diesem Jahr um 5,5 Prozent gesunken, während der Energieverbrauch Berlins um 3,8 Prozent und der Stromverbrauch sogar um 13 Prozent anstieg. "Diese titanische Leistung grenzt an Wunder, erklärt sich aber ganz trivial aus den veränderten Berechnungsmethoden." Berger schrieb einen Brief an die Umweltsenatorin. Man müsse nach der jetzt geltenden Methode bis 1990 zurückgehen und die Daten so bereinigen.

Die Kritik kam offenbar an: Die Umweltverwaltung bestätigte gegenüber der taz, dass sich die Berechnungsgrundlagen der Klimabilanz seit 1990 geändert haben. Man werde sich um eine Klärung bemühen, sagte Sprecherin Marie-Luise Dittmar.

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