Kein Recht auf Tempolimit

Bundesverfassungsgericht lehnt Klage von klimabesorgten Bür­ge­r:in­nen ab. Weitere Verfahren folgen

Von Christian Ra­th

Einzelne Bür­ge­r:in­nen können mit einer Verfassungsbeschwerde kein Tempolimit auf Autobahnen erzwingen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Ein Mann und eine Frau, die sich ohne An­wäl­t:in an das Bundesverfassungsgericht gewandt hatten, kritisierten die unzureichende Klimapolitik. Vor allem im Verkehrssektor sei es unwahrscheinlich, dass das bis 2030 zugewiesene CO2-Budget eingehalten werden kann, argumentierten sie. Wenn jetzt keine ausreichenden Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgase unternommen werden, drohten ihnen (wie allen Bürger:innen) gegen Ende des Jahrzehnts umso heftigere Grundrechtseinschränkungen.

Die Verfassungsbeschwerde richtete sich dagegen, dass der Gesetzgeber insbesondere kein Tempolimit auf Autobahnen eingeführt habe. Eine Abwägung zwischen der heutigen Freiheit, auf der Autobahn ohne Tempolimit fahren zu können, und drohenden Grund­rechts­ein­schrän­kungen in der Zukunft spreche eindeutig für eine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Klage nun relativ brüsk abgelehnt. Es sei keine individuelle Grundrechtsverletzung durch das fehlende Tempolimit aufgezeigt worden, so die Rich­te­r:in­nen. Sie machen klar, dass Bür­ge­r:in­nen keine einzelnen Klimaschutzmaßnahmen einfordern können, auch keine speziell im Verkehrsbereich. Denn die Verschiebung der ­Reduktionslasten in die Zukunft könne nicht einer einzelnen Unterlassung zugerechnet werden, sondern nur der Klimapolitik insgesamt. (Az.: 1 BvR 2146/22)

Diese Argumentation entspricht auch dem Klimaschutzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr 2021. Damals hatte Karlsruhe zwar den Klimaschutz zum Staatsziel erklärt. Außerdem hatte das Gericht festgestellt, dass mit zunehmendem Klimawandel das Ziel der Klimaneutralität bei staatlichen Abwägungen zunehmend an Gewicht gewinnen müsse. Aber zugleich ließ Karlsruhe der Politik „Gestaltungsspielräume“, wie die Ziele konkret erreicht werden sollen.

Federführende Richterin des spektakulären Beschlusses von 2021 war die Juraprofessorin Gabriele Britz. Sie hat auch die Ablehnung der aktuellen Verfassungsbeschwerde vorbereitet. Als Verfassungsrichterin dürfte es wohl ihr letztes Wort zum Klimaschutz gewesen sein. Britz’Amtszeit endet am 1. Februar. Bald darauf wird sie in Karlsruhe ausscheiden.

Erfolgversprechender sind derzeit wohl Klimaklagen beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Dort kann geltend gemacht werden, dass die Bundesregierung ihre Verpflichtungen aus dem deutschen Klimaschutzgesetz nicht einhält. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat schon mehrere derartige Klagen eingereicht, über die im ersten Halbjahr 2023 verhandelt werden soll. Insbesondere wurden von der DUH auch die klimapolitischen Sofortprogramme von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) beanstandet, da sie nicht aufzeigen, wie die Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 erreicht werden können.