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Kleine Päckchen für die Mongolei

Die Post will sich auf dem Weg zum Global Player auch die Mongolei als Markt erschließen. Von Alt-Mariendorf aus wird der Güterverkehr Richtung Ulan-Bator organisiert – bislang überschaubar mit Yakhörnern, Kaschmirwolle oder Schlachtbänken

von DONDOG BATJARGAL und GHOSTDOG HÖGE

Die gute alte Deutsche Post, seinerzeit noch von Lenin als Vorbild für den Aufbau des Sozialismus gepriesen und inzwischen eine Aktiengesellschaft, wird demnächst DHL heißen: nach einem amerikanischen Expressdienst, den die Herren Dalsey, Hillblom und Lynn 1969 gründeten: „Die Expansion der Ölfirmen bestimmte die Entwicklung von DHL“, erklärten sie kurz vor dem Verkauf ihrer Firma. In den USA raunt man sich seitdem zu: „So wie zuvor Daimler-Benz und die AEG kauft jetzt die Deutsche Post alle maroden Firmen auf und zahlt dafür jeden Preis!“

Neben vielen anderen erwarben die Deutschen auch den US-Konzern „Air Express International“ (AEI), den sie zunächst in ihr internationales Speditionsunternehmen Danzas eingliederten. Aber bald wird es diese Firmen alle nicht mehr geben, stattdessen geht unsere Post, zu der nun auch wieder die Postbank gehört, in vier neue Bereiche auf: DHL Express, DHL Freight, DHL Air und Ocean und DHL Solutions. Die Deutsche Post ist damit kurz davor, der „Number One Logistik-Anbieter“ in der Welt zu werden. Nicht zuletzt deswegen begreift sie ihre Aktie derzeit noch als „unterbewertet“, wobei ihr Vorstandsvorsitzender Klaus Zumwinkel besonderen Wert auf die Feststellung legt, „dass der Bund nicht mehr die Mehrheit an Aktien hält“.

Neben der Übernahme von Firmen gibt es im globalen Logistiknetz der Post auch noch etliche Kooperationsstellen. Eine davon heißt in der Alt-Mariendorfer Danzas-Niederlassung Volker Gafert. Der für Russland und die Mongolei verantwortliche Diplomafrikanist arbeitet dort u. a. mit der Diplomkauffrau S. H. Naranzezeg zusammen: der Deutschlandrepräsentantin des Internationalen Logistikunternehmens der mongolischen Eisenbahn. Und das IFFC ist wiederum mit der zur Privatisierung anstehenden mongolischen Fluglinie MIAT vernetzt.

Der Export in die Mongolei und der Import aus der Mongolei ist noch ziemlich überschaubar. Von dort kommt bisher nur wenig mehr als: Murmeltieröle (für Sportler), Yakhörner, Kaschmirwolle, Filzprodukte und Kupfererze. Eben wickelte Volker Grafert ein halbes Jahr lang den Transport von fünf Containern aus Mexiko mit Chemikalien für das mongolische Kupferbergbau-Unternehmen in Erdenet ab. Umgekehrt exportiert Deutschland als europäischer Haupthandelspartner so ziemlich alles in die Mongolei – von Butterkeksen bis zu ganzen Schlachthäusern, Getränkelinien und Kneipeneinrichtungen –, jedoch vorerst meist nur in kleinen Mengen. Frau Naranzezeg ist gerade mit dem Versand eines Containers voll mit Beleuchtungsanlagen aus Dänemark für eine Konzerthalle in Ulan-Bator beschäftigt: die Ware wird dort noch vor Silvester benötigt. Davor hatte sie bereits den Transport von Equipment für eine neu gebaute Konzerthalle in Ulan-Bator abgewickelt, d. h. erst einmal alle Anschaffungen in Alt-Mariendorf, wo Danzas ein Hochregallager angemietet hat, konzentriert.

Von dort ging es dann per Container weiter mit dem „Ostwind“ über Russland. Dieser Güterzug wurde von der Deutschen Bahn AG und der Transsibirischen Eisenbahn eingerichtet, er fährt täglich vom Lehrter Bahnhof ab. Die Fahrt bis zur sibirisch-mongolischen Grenzstadt Naoschka dauert drei Wochen. Der Transport des Containers kostet inklusive Kaufpreis des Behälters rund 3.000 Euro. Per Schiff über China ist es etwa 1.000 Euro teurer, das kann sich jedoch bei bestimmten Waren – Bier und Wein etwa – durchaus lohnen, denn solche Lieferungen werden in Russland gern geplündert: „Die neuralgischen Punkte sind dabei Brest-Litowsk und Smolensk.“ sagt Frau Naranzezeg.

Überhaupt gibt es derzeit viele Probleme mit Russland, vor allem mit dem Zoll, der als Staat im Staate und als mafios unterwandert begriffen wird. Gerade wurde im Westen das internationale Zollabkommen mit Russland aufgekündigt, so dass seit Heiligabend für Lkws nach Russland „gar nichts mehr geht“. Der russische Zoll verlangt 240 Mio. Dollar von westlichen Versicherungen, im Gegenzug wirft man ihm vor, immer wieder Waren schwarz verzollt und so zweimal kassiert zu haben: Zwei Drittel aller Verstöße weltweit gegen die internationalen Verkehrsabkommen werden aus Russland gemeldet.

Neben den Zollproblemen gibt es auf der Landstrecke Berlin–Ulan-Bator auch noch einen Preiskampf mit der privaten mongolischen Spedition Tuuschin, der Dumpingpreise vorgeworfen werden, die sie ebenso wenig halten könne wie die von ihr versprochenen Laufzeiten. Auch müssten viele mongolische Kunden noch darüber aufgeklärt werden, dass die billigste Fracht nicht unbedingt die beste ist: So wollen sie z. B. oft, um Geld zu sparen, keine Frachtversicherung abschließen, „weil es vor der Wende damit nie Probleme gab“. Oder sie sparen an der Verpackung: Grad neulich erlebte ein mongolischer Empfänger bei seinen Gurken in Gläsern aus Jüterbog eine böse Überraschung: von den vier Containern befand sich in zweien nur noch Gurkensalat, weil die Hälfte der Gläser auf dem Transport zu Bruch gegangen war. Beim „Ostwind“ gibt es eine fast tägliche Laufüberwachung, die vom Zug, der knapp 250 Kilometer am Tag zurücklegt, in die Danzas-Zentrale Alt-Mariendorf weitergeleitet wird. Ähnlich ist auch die Warenkontrolle per Schiff – von Hamburg nach Thyang-Jin und dann weiter mit der Eisenbahn nach Ulan-Bator, was insgesamt etwa fünf Wochen dauert, wobei man zwei bis drei Tage beim Zoll in China einrechnet. Auch hier verschwindet manchmal etwas beim Umladen: Grad neulich kam dabei in Containern mit Schokolade aus Frankreich Ware im Wert von 500 Euro abhanden. Ein Container mit Bahlsenkekse aus Hannover blieb jedoch unangetastet. Nicht jede Ware muss umgeladen werden: die Italiener lassen ihre Container (mit Wein und Sekt) bis nach Ulan-Bator laufen. Auch Sammelcontainer, die bei Danzas in Berlin alle drei Monate gepackt und vom Zoll in Marzahn verplompt werden, laufen durch. Sie beinhalten meist hier von Privatpersonen gekaufte Waren. Im vergangenen Jahr wurden auf diese Weise auch einmal zehn Mercedes-Limousinen für die mongolische Regierung angeliefert.

Insgesamt haben Frau Naranzezeg und Herr Gafert 200 bis 250 Container pro Jahr abzufertigen. Sie wollen ihren Output jedoch im kommenden Jahr „deutlich steigern“. Dazu müsste mittelfristig auch der mongolische Export, z. B. aus der Fleischproduktion, angekurbelt werden – was heißt, dass „die mongolischen Viehzüchternomaden sich erst mal wieder organisieren müssen – in Genossenschaften. Das ist bis vor der Wende auch gut gelaufen. Die bereuen ihre Zerschlagung inzwischen“.

Hoffnung setzt man dabei auf einen deutschen 21-Millionen Dollar-Entwicklungskredit für die Mongolei. Zuvor waren von Danzas-Deutschland bereits Hilfsgüter im Wert von 30 Millionen Dollar in die von den letzten zwei harten Wintern besonders betroffenen mongolischen Provinzen verfrachtet worden. Für die nahe Zukunft geht man jedoch davon aus, dass sich „die Verkehrsströme von Deutschland in die Mongolei verändern – hin zu mehr Industriegütern“. Um ihnen gewachsen zu sein, veranstalten Danzas und IFFC einmal jährlich mit der Handelskammer von Ulan-Bator eine Informationsveranstaltung. Beim letzten Mal im April kamen 300 potenziell neue Kunden. Herr Gafert und Frau Naranzezeg sprachen anschließend von einem großen Erfolg.

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