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Prêt-à-porterKleider wie Kriegsschreie

■ Alexander McQueen liebt noch immer Bewegungsfreiheit

Als Alexander McQueen im letzten Jahr Givenchy übernahm, war er 27 Jahre alt. Seine Haute-Couture-Kollektion im Januar, ganz in Weiß und Gold, zeigte vor allem eins: Korsetts. Aber anders als sonst betonten diese Korsetts nicht die Zerbrechlichkeit des weiblichen Körpers – sie waren Teil einer Rüstung, sie machten ihn unverwundbar.

Die Anzüge hatten ohne Umschweife einen männlichen Zuschnitt, die Kleider waren eng und geschlitzt. Anders als Muglers geschnürte Dominas konnten sich McQueens Amazonen problemlos bewegen – und genau das machte die Sache aggressiv. Die Givenchy-Dame eine Lesbe? Die Kollektion fiel mit Pauken und Trompeten durch.

Für seine Prêt-à-porter-Kollektion hat sich McQueen etwas zurückgenommen. Und erntete in der französischen Presse höchstes Lob. Ein Mißverständnis. Denn so viel hat sich nicht geändert: McQueen zeigte hautenge schulterfreie Lederkleider, die bis zu den Knien reichten. Lochmuster waren in den Saum gestanzt, an der Seite eine Godetfalte eingelassen, so daß der Rock etwas schwingen konnte. Egal wie eng die Kleider waren, es gab immer Bewegungsfreiheit – durch einen Schlitz oder weil der Rock kurz war.

Viele Designer machen enge geschlitzte Kleider, und doch ist an diesen etwas anders: Das Leder ist nur im Rockteil weich. Am Oberkörper ist es doppelt gelegt und daher steif. Es ist absurd, aber diese ärmellose Korsage, die ein gutes Stück vom Busen freilegt, soll niemanden beeindrucken, sie ist ein Schutz. Und dann die Anzüge: Sie sind so klassisch, wie die traditionelle Givenchy-Kundin es sich nur wünschen kann. Aber auch hier ist etwas anders: Unter dem normalen Kragen gibt es oft noch einen zweiten, der seiner Trägerin etwas Priesterinnenhaftes verleiht. Auch sind die Anzüge nicht besonders auf Figur geschnitten. Darin treffen sie sich mit Saint- Laurents Smoking aus den 60ern: Bei beiden sitzt die Jacke locker wie ein Herrenjackett. Oder sind es die Schultern? Sie sind breit, aber nicht eckig. Der Ärmel fällt in einer messerscharfen Kante ab. Ich kann es nicht besser beschreiben, aber McQueens Anzüge haben selbst in ihrer mildesten Form etwas von einem Kriegsschrei.

Xuly Bet ist ein Franzose senegalesischer Abstammung. Er wird seit einigen Jahren als Geheimtip gehandelt. Gelegentlich waren seine Kleider schon in der britischen Vogue und The Face zu sehen. Diesmal dauerte es zwei Stunden, bis die Schau anfing. Aber es war ein ziemlich fröhliches junges Publikum, das da die Wartezeit lang selbst über die Gänge defilierte. Fast alle schienen sich zu kennen, und die Stimmung war aufgekratzt.

Los ging's mit zwei schwarzen Models in engen durchsichtig grünen Nylonhosen, dazu rosa- türkis-violett gemusterte Oberteile. Dann ein Overall aus braunem Nylon, knalleng und die Nähte mit rotem Garn extra abgesteppt, so daß die Körperformen besonders hervorgehoben wurden. Dann kamen hautenge Strickkleider wie aus Patchwork oder mit unregelmäßigen bunten Streifen. Oder ein Catsuit aus schwarzem Nylon und dazu eine kurze Bomberjacke aus schreiend rosa Plastik. Mit Kapuze. Es war farbenfroh und auf eine unbekümmerte Art sehr sexy. Anja Seeliger

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