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BunsenbrennerKlassischer Overkill?

■ Feldzug gegen Heuschrecken

Als in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre in Nordafrika die größte Heuschreckenplage seit fünfzig Jahren ausbrach, versprühten internationale Flugzeugflotten von 1986 bis 1989 dreizehn Millionen Liter Pestizide auf 100.000 Quadratkilometer Agrarland. Letztes Jahr kam die Erfolgsmeldung: Die Plage war zu Ende. Der amerikanische Bundesentwicklungsdienst AID, der den Einsatz zusammen mit der UNO-Organisation FAO, geleitet hatte, feierte den Sieg über die Heuschrecke. Zu Unrecht, heißt es jetzt in einem Bericht des amerikanischen Kongreßbüros OTA (Office of Technology Assessment). Der Aufwand sei überflüssig gewesen. Es sei durchaus möglich, daß nicht die Pestizide, sondern veränderte Klimabedingungen den Heuschrecken, deren letzte Schwärme vom Wind auf Nimmerwiedersehen auf den Atlantik hinausgefegt wurden, den Garaus gemacht haben. Laut OTA-Bericht wurde 1986 beispielsweise in den neun am stärksten von Heuschrecken befallenen afrikanischen Ländern nur ein Prozent der Ernte geschädigt. Im gleichen Jahr kostete der Pestizideinsatz vierzig Millionen Dollar. Gerettet wurden Erträge im Wert von 46 Millionen Dollar. Also kein Anlaß zum Feiern, heißt es in dem ungewöhnlich scharf formulierten Bericht; im Gegenteil, AID trage schwere Verantwortung für „die großteils ungemessenen gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen des Insektizideinsatzes; für die Umorientierung von Entwicklungshilfegeldern zu Soforthilfeprogrammen und für die Bekämpfung weniger, auffälliger Insekten, die geringen Schaden anrichten, während gefährlichere Schädlinge verschont bleiben“. Die Hälfte der von OTA befragten Mitarbeiter des Insektizideinsatzes berichtete von Umweltschäden oder Fällen, bei denen Menschen verseucht wurden. Nicht die Heuschrecken sind laut OTA der wichtigste Insektenfeind Afrikas, sondern die Malariaüberträger und die Tsetsefliege, die einige Gebiete praktisch unbewohnbar machen. OTA fordert einen integrierten Pflanzenschutz, bei dem Pestizide nur ganz gezielt, zum Beispiel in Brutgebieten der Insekten, eingesetzt werden. In einem Kritikpunkt sei AID unschuldig: Entgegen dem Rat der Amerikaner hätten die afrikanischen Länder auf den Einsatz von hochgiftigen Pestiziden bestanden, die in den USA verboten sind. Zumindest in dieser Sache ist in naher Zukunft eine Wende zu erwarten. Ein zur Zeit im Kongreß debattiertes Gesetz, das den Exportverbot in den USA nicht zugelassener Pestizide vorsieht, findet breite Unterstützung. Jay Vroom vom amerikanischen Industrieverband für Landwirtschaftschemie äußerte sich dazu besorgt: „Unser Land sollte nicht gezwungen werden, auf diese Weise Umweltimperialismus auszuüben.“ san

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