Klarnamen in sozialen Netzwerken: Youtube freundlich, Facebook dreist
Google und Facebook versuchen die User auf Klarnamen zu verpflichten. Mit verschiedenen Methoden. Mehr aber unterscheidet sich der Tonfall.
BERLIN taz | Die zu Google gehörende Videoplattform Youtube ermuntert jetzt ihre User dazu, ihre amtlichen Namen zu verwenden. Wer ein Video unter Pseudonym kommentiert, wird aufgefordert, seinen „vollständigen Namen“ zu verwenden. Vor einem Namenswechsel darf man seine Playlists und früheren Postings aufräumen. Zudem hält Youtube dem Nutzer die Option offen, jederzeit wieder zu seinem alten Nutzernamen zurückkehren.
Google verfolgt eine verhältnismäßig softe Klarnamen-Pädagogik. Der Konkurrent Facebook wendet deutlich rigidere und umstrittenere Methoden an, um Nutzer zur Eingabe ihrer Klarnamen zu zwingen. Facebook-User berichteten von Anfragen, den Klarnamen von Freunden zu bestätigen, die im Verdacht stehen sich unter Pseudonym in dem Netzwerk zu bewegen.
Die Pseudonym-Nutzer selbst wiederum wurden aufgefordert, ihren Personalausweis einzuscannen und hochzuladen, um ihre Identität zu bestätigen. Wer dieser Aufforderung nicht nachkommt, kann nicht auf sein Facebook-Konto zugreifen, berichtete ein betroffener Nutzer. Pflichtet man bei und wechselt zu seinem amtlichen Namen, ist – im Gegensatz zu Youtube – eine spätere Änderung des Namens nicht mehr möglich.
Googles Schritt deuten die einen als Versuch, das mitunter miserable Diskussionsniveau in den Youtube-Kommentarforen zu heben. Frei nach der Internet Fuckwad Theory, derzufolge Anonymität im Netz den „Arschloch-User“ hervorbringt, müssten Klarnamen das Verhalten bessern. Beiträge wie „es macht so spaß ihn andauernd zu erschießen indem man nur 5 drückt! :D lachflash~“ würde Youtube-Nutzer SchokoBuschL dann vielleicht nicht so leichtfertig posten. Soweit die Theorie.
Pseudonym-User diskutieren klüger
Eine Studie der Kommentierplattform Disqus ergab dagegen, dass gerade unter Pseudonymen veröffentlichte Kommentare die besseren sind. 61 Prozent der Kommentare, die in Foren unter Pseudonym veröffentlicht wurden, haben andere User positiv bewertet. Hingegen wurden nur 51 Prozent der unter Klarnamen geposteten Kommentare für gut befunden. Zudem sei die Beteiligung von Usern mit Pseudonym viel höher als von jenen, die mit Namen zu erkennen geben.
Andere sehen hinter der Klarnamen-Offensive von Google auch eine Maßnahme, die Bedingungen für zielgruppengerechte Werbung zu verbessern. Wenn das zum hauseigenen Online-Netzwerk Google+ gehörende Profil und das Youtube-Profil vereinheitlicht werden, werde das Bild vom Google-Kunden vollständiger und wertvoller.
Denn Google erfährt so noch mehr über die Vorlieben seiner Nutzer und kann ihn individuell mit Anzeigen bespielen. Ein werbetechnisch kluger Zug von Google, hat doch Google+ von Beginn an in seinen Nutzungsbedingungen eine strenge Klarnamen-Konvention festgeschrieben. Zuletzt wurden diese sogar gelockert. Google, so scheint es, will sich liberal geben, will seinen Usern mehr Mündigkeit zubilligen. Und gleichzeitig auf Klarnamen hinwirken.
Google weniger restriktiv
Youtube schreibt im eigenen Blog: Die erste Klarnamen-Initiative im März habe ein überwiegend positives Echo hervorgerufen. Um schließlich noch das Zugeständnis zu machen: „Trotzdem haben wir verstanden, dass die Benutzung des vollen Namens nicht für jeden User adäquat ist.“ Offenbar hat Google verstanden, dass es beispielsweise für Youtube-Nutzer in Syrien lebensgefährlich sein kann, Bilder von Gewalt und Erschießungen unter dem vollständigen Namen zu veröffentlichen – um ein extremes Beispiel anzuführen.
Trotz der Ähnlichkeiten in der forcierten Klarnamenpolitik der Netzkonzerne: Google pflegt einen anderen Ton: mit der freundlichen Vorgehensweise grenzt es sich doch klar von Facebooks Dreistigkeit ab.
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