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„Klarkommen“ von Ilona HartmannVerpasste Party als Lebensgefühl

llona Hartmann erzählt in ihrem zweiten Roman von einem Erwachsenwerden, das einfach nicht glamourös sein will. Wo bleiben Rausch, Exzess, Romantik?

Ende einer kleinen Party, bei der man mal wieder nicht dabei war Foto: Alessandra Schellnegger/picture alliance

Dass Menschen, die ihr Geld vor allem mit dem Geschichtenerzählen verdienen, oft selbst ein wenig wie der Star in einer Story leben, ist ein bisschen mehr als nur ein Klischee. Der Slang nennt das „Main Character Syndrome“, eine Krankheit, welche die Psychologie natürlich nicht wirklich kennt, aber deren Beschreibung als Störung schon zum Ausdruck bringt: Eine glänzende Hauptrolle sein zu wollen, wenn einen das Schicksal eher als Kulisse vorgesehen hat, gehört sich nicht.

Schon in ihrem Debütroman „Land in Sicht“ (2022) erzählt die Autorin Ilona Hartmann eine weitgehend von Glanz befreite Geschichte über die späte Suche nach dem eigenen Vater. Der steuert keinen bombastischen Kreuzer über die Weltmeere, sondern tuckert mit einem Flusskreuzfahrtschiff die Donau entlang. Die Autorin versteht es, gerade den Witz des Profanen, Öden und oft sehr Deutschen an der Erzählung charmant ins Zentrum zu rücken.

„Klarkommen“ ist nun die Geschichte einer jungen Frau, die, frisch vom Elternhaus emanzipiert, voller Erwartung einer betörenden Jugend ist, bald aber feststellen muss, dass zumindest ihr Leben auch eher auf dem Flusskreuzer-Level operiert. Angekommen in der Großstadt, ist einiges möglich, aber wenig drin. Partys und Konzerte kommen vor, verlaufen aber selten so aufregend wie gehofft, ein paar Menschen kommen, andere gehen, eine Romanze versandet.

Selbst die Tragik ist irgendwie nicht tragisch genug. Ein Ausflug verspricht ein Abenteuer zu werden, verläuft „schlimm“, dann aber „eben auch nicht schlimm genug, um danach eine gute Geschichte davon zu erzählen“. Fazit: „Und das war ja eigentlich dann schon schlimm.“

Gewöhnen kann sich die Protagonistin an diese Umstände schwer, was die Autorin in kurzen Kapiteln zu formulieren weiß. Hartmanns Erzählerin zerdenkt so gut wie jede Situation, unbarmherzig gegenüber sich selbst, aber mit Feinfühligkeit gegenüber allen anderen Charakteren. Die sind oft ähnlich schrecklich normal wie sie selbst, dienen aber dennoch ständig als Vergleichsschablone: Immer ist es auf der Party cool, auf der man gerade nicht ist.

Wo bleiben Rausch, Exzess, Romantik?

Stück für Stück setzt sich die ironische Schlussfolgerung aus teils mikroskopischen Beobachtungen zusammen: Ein romanhaftes Leben wartet eben genau da, wo jemand das Leben als Roman zu beschreiben weiß. Dabei gelingt es Hartmann, nie in Weinerlichkeit zu verfallen. Die Erzählerin weiß um ihre kleineren Privilegien, tänzelt stets um das Eingeständnis herum, dass schon die Erwartung einer tollen Jugend eitel daherkommt, wenngleich sie permanent provoziert wird: „Wir waren alle ab dem ersten Kinderbuch konfrontiert worden mit der Ankündigung, dass die Dinge einer gewissen Struktur folgten.“

Darf man sich beschweren, wenn nicht eintreten will, was doch auf jeder Verpackungsrückseite versprochen wird – Rausch, Exzess, Romantik? Und: Kommt in diesen Versprechen ein Mietvertrag vor, eine kaputte Waschmaschine, ein leeres Bett und ein noch leereres Konto?

Anders als in ihrem Debüt kommt Hartmanns Humor, den sie an anderer Stelle zum Beruf gemacht hat, dosiert daher. Stark ist das Buch vor allem da, wo die Autorin zartbitter wird, Sätze und Kapitel fast abbricht, wie einen Gedanken, den man lieber nicht zu Ende denkt: „Jedes Mal, wenn wir freiwillig oder zufällig Nachrichten gelesen hatten, beschlich uns das beklemmende Gefühl, dass wir uns mit dem Aufblühen beeilen mussten.“ An solchen Stellen begreift sie von ihrem Jahrgang mehr als einige Regalmeter populärwissenschaftliche Sachbücher.

„Klarkommen“ entfaltet sich zu einem Miniatur-Generationsporträt und einem vorsichtig-rebellischen Anti-Roman, der die Erwartung eines filmreifen Lebens schlau und witzig gegen sich selbst ins Feld führt. Damit schafft es Ilona Hartmann, dass sich die Kulisse doch zur Hauptrolle verwandelt – und ihre vorgeblich nicht erzählenswerten Anekdoten in eine wunderbar erzählte Geschichte.

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