Klangwiese der Töne in Berlin: Sounds of the City
Es tönt, pfeift, quietscht und dröhnt: Das „Festival für selbstgebaute Musik“ hat mit dem Holzmarktgelände einen kongenialen Ort gefunden.
D er jüngste Soundkünstler ist höchstens zwei Jahre alt. Während seine Eltern am Pizzastand warten, entdeckt er die Klangqualitäten einer leeren Plastikflasche, die er mit Schmackes auf die Holzplanken des Standes schmettert, wo der Flaschenkörper um so lauter tönt und um so rhythmischer nachklappert, je mehr Energie der Performer investiert.
Diesen Zusammenhang hat er schnell begriffen. Blitzschnell hebt er nach jedem Klangereignis die Flasche wieder auf und macht zwei Schritte, um sie an neuem Ort wieder auf die Planken zu schmeißen. Wie auf einer kleinen Bühne paradiert er vor dem Pizzatresen auf und ab. Respektvoll halten neu Hinzukommende ihre Bestellungen zurück, solange die Vorstellung andauert.
Sehr selten gibt es kulturelle Events, die für Erwachsene wie für Kleinkinder gleichermaßen schön sind. Das „Festival für selbstgebaute Musik“ ist eines davon, und auf dem Holzmarktgelände am Ufer der Spree hat es einen kongenialen Ort gefunden. „Selbstgebaut“ ist eines der Stichworte, die unbedingt in den Sinn kommen, wenn vom Holzmarkt die Rede ist, auch wenn das improvisierte Lattenbudenimage der Anfangsjahre längst hochwertigen, massiven Gebäuden gewichen ist. Die Premiumarchitektur fügt sich zwanglos ein in eine organisch gewachsene Erlebnislandschaft aus einfachen, ins Gelände gebauten Sitzgelegenheiten und vereinzelten grünen Nischen aus spontan wirkender Vegetation, die an den Rändern der Spree sogar erfolgreich die Illusion einer natürlichen Uferböschung nachbildet.
Es tönt, pfeift, quietscht und dröhnt
Hier am Fluss lässt sich normalerweise etwas Ruhe finden, wenn einem der Trubel – und Trubel ist auf dem Holzmarkt meistens – zu viel wird. Nur heute geht das nicht, denn aus allen Ecken und Enden tönt, pfeift, quietscht und dröhnt es.
Einen ganzen Tag lang verwandeln Installationen, Performances und Instrumenten-Workshops den Holzmarkt in eine große Klangwiese. Am Fluss steht eine „Windwall“ aus gebrauchten Mundharmonika-Platten; „chladnische Klangfiguren“ heißt eine Installation, bei der sich durch die Übertragung von Klangfrequenzen auf eine Platte Sandbilder erzeugen lassen – und das „Hertzschlag-Instrument“ übersetzt den Herzschlag freiwilliger Versuchspersonen über angeschlossenes Schlagwerk in Musik.
Ein Klangkarussell aus Synthesizerplatten ist permanent umlagert; und erwachsene Menschen freuen sich wie Kinder, wenn sie durch das Drehen der vielen kleinen Knöpfchen pfeifende Töne in die Umgebung schicken können.
„Musik“ ist, wenn man ehrlich ist, für das meiste, was hier passiert, eher nicht der richtige Begriff. Richtige Musik wird aber im parallel laufenden Bühnenprogramm gegeben. Sehr eindrucksvoll etwa von den vier Damen („Vier Frauen, zwölf Beine“) aus Köln, die sich „120 DEN“ nennen und mit Schaufensterpuppenbeinen, die zu elektronischen Instrumenten umgebaut worden sind, die übertriebenen Männlichkeitsgesten der Rock-Bühnenkultur ad absurdum führen. Das ist nicht nur ein großer Spaß, sondern auch echte Kunst mit Musik. Und garantiert selbstgebaut.
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