Klang und Gesang: Glöckchengebimmel und Geblöke
Im „ausland“ in Prenzlauer Berg gibt es die aufregende Musik tibetischer Mönche zu hören.
Die polyfonen Gesänge tibetischer Mönche sind längst der Renner in jedem New-Age-Laden. Deren Obertongesänge haben auf westliche Ohren eine beruhigende Wirkung, die Wiederholungen machen einen leicht schläfrig, da hält nicht einmal der Gesang der Buckelwale mit.
Eine ganze Session dieser Mönche bekommt man freilich auf Tonträger nie zu hören. Stundenlang dauern die Ritualgesänge zu Ehren Buddhas, da würde selbst der eifrigste Berliner Esoteriker kapitulieren. Was für eine Ausdauer diese Mönche ganz generell haben, das lässt sich auch ganz gut in Werner Herzogs Dokumentarfilm „Rad der Zeit“ sehen, wo der Filmemacher eine Kalachakra-Initiation im Norden Indiens zeigt, während der das sogenannte Mandala gebaut wird, das „Rad der Zeit“.
Wer darin die buddhistischen Pilger sieht, versteht, was echte Hingabe sein muss. Manche von ihnen wandern monatelang zu der Initiation und werfen sich dabei in den Staub, den Matsch oder eine Pfütze. Diese Passion ist es, die die tibetischen Kulte für uns so faszinierend machen.
Mönchsrituale in Bhutan
Seit der Invasion Tibets durch China 1950 und erst recht nach dem Aufstand der Tibeter gegen die Besatzer 1959 sind die tibetischen Mönche vor allem nach Nordindien, Nepal und Bhutan emigriert. So ist es auch kein Wunder, dass die wohl wichtigste und bekannteste Platte mit ethnomusikologischen Aufnahmen Tibetischer Mönchsrituale 1972 in Bhutan entstanden ist, nämlich die Doppel-LP mit dem Titel „Tibetan Buddhist Rites From The Monestaries of Bhutan“.
Tibetan Buddhist Rituals: Mittwoch, 4. Februar, ausland, Lychener Straße 60, Prenzlauer Berg, 20 Uhr
Der Engländer John Levy bereiste damals im Auftrag der New Yorker Plattenfirma Lyrichord und mit einer persönlichen Einladung des Königs von Bhutan das Land und nahm mit seinem kleinen Aufnahmegerät und einem Mikrofon die Kultmusik auf – das Album ist heute ein Klassiker der Fieldrecordings.
Freejazz und Dauergebläse
Der Ethnomusikologe Laurent Jeanneaus, der derzeit regelmäßig seine Aufnahmen mit obskurer Musik aus Asien im Club „ausland“ im Prenzlauer Berg, im Rahmen der Reihe „Music of/for Minorities“, präsentiert, arbeitet mit ähnlichen Methoden: Umherreisen, Vertrauen gewinnen, Ritual beiwohnen und mit einfacher Technik aufnehmen.
Jeanneaus präsentiert heute die Ritualmusik tibetischer Mönche, auf die er auf seinen Reisen in den entlegeneren Gebieten Asiens, die er seit gut 15 Jahren unternimmt, gestoßen ist. Tibet selbst mag seit damals seinen ursprünglichen Charakter noch mehr verloren haben, seit Chinesen das ehemals autonome Land sogar via Eisenbahn fluten. Und was passiert, wenn der Dalai Lama nicht mehr ist, weiß auch kein Mensch. Aber noch machen die Mönche in Bhutan und Nepal ihre aufregende Musik mit Instrumenten wie damals und während Ritualen wie damals. In stundenlangen Sessions produzieren sie dieses Dröhnen, vermischt mit Glöckchengebimmel, schiffshornartigem Geblöke und an Freejazz erinnerndem Dauergebläse, das nun auch in Berlin zu erleben ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!