Klage von Kindesmörders Gäfgen: Neuer Ärger um Gutachter
Im Schadenersatzprozess lehnt der Anwalt von Kindesmörder Gäfgen erneut einen Sachverständigen ab. Gegen diesen wird wegen Gefälligkeitsgutachten ermittelt.
FREIBURG taz Im Schadenersatzprozess des Kindesmörders Magnus Gäfgen gegen das Land Hessen ist erneut ein Sachverständiger ins Zwielicht geraten. Ausgerechnet ein Psychiater, gegen den wegen Erstattung von Gefälligkeitsgutachten ermittelt wird, soll Gäfgen begutachten. Das Gericht spricht von "blankem Zufall".
Magnus Gäfgen ist der Mörder und Entführer des Bankiersohns Jakob von Metzler. Er wurde 2003 zu lebenslanger Haft verurteilt, hat aber seinerseits das Land Hessen verklagt. Die Folterdrohung des Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner habe ihn traumatisiert. Gäfgen will im Zivilprozess vor allem herausbekommen, wie das hessische Innenministerium in die Folterpläne involviert war.
Zunächst soll untersucht werden, ob Gäfgen tatsächlich traumatisiert ist. Doch der erste Gutachter, Norbert Leygraf, wurde von Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer erfolgreich wegen "Besorgnis der Befangenheit" abgelehnt. Leygraf soll intime Gäfgen-Unterlagen weitergegeben haben.
Als neuer Gutachter wurde vom Landgericht nun Thomas H. bestellt. Doch auch dieser Psychiater hat eine bedenkliche Vorgeschichte. Er hat vier Steuerfahnder, die mit dem Land Hessen im Clinch lagen, gegen ihren Willen für dauerhaft dienstunfähig erklärt (taz berichtete).
Inzwischen hat die Landesärztekammer gegen Dr. H. eine Klage wegen Verletzung seiner Berufspflichten eingereicht. Ende November wird das Verwaltungsgericht Gießen verhandeln. Auch die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Dr. H. wegen "unrichtiger Ausstellung von Gesundheitszeugnissen".
Anwalt Heuchemer hat deshalb erneut einen Ablehnungs-Antrag gestellt. "Es kann ja nicht sein, dass ein Psychiater, dem Gefälligkeitsgutachten für das Land vorgeworfen werden, in einem so brisanten Prozess zum Sachverständigen berufen wird, bei dem das Land immerhin selbst beklagt ist", sagte Michael Heuchemer auf Nachfrage zur taz.
Über den Antrag ist noch nicht entschieden. Ein Sprecher des Frankfurter Landgerichts versichert jedoch, dass die Richter von Dr. H.s Vorgeschichte nichts wussten. Der Psychiater sei - mit Blick auf die Unschuldsvermutung - in der Presse bislang nicht mit vollem Namen erwähnt worden.
Eine Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft bei Dr. H. wurde Anfang September von anderen Richtern am Landgericht sogar als rechtswidrig eingestuft. Es gebe keinen hinreichenden Verdacht, dass der Psychiater die Gutachten über die Steuerfahnder "wider besseres Wissen" erstellt habe.
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