Klage von Bremer Behinderten: Barrieren blockieren Bibliothek
Laut Behindertenverbänden genehmigte die Baubehörde den Umbau des Forums am Wall trotz mangelhafter Barrierefreiheit.
Laut Frankenstein vom Verein „Selbstbestimmt Leben“ müssen DIN-Vorschriften eingehalten werden, weil das Gebäude öffentlich zugänglich ist. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Eigentümer die private Wallhaus GmbH sei. Die Vereine führen gleich eine ganze Liste von Mängeln auf: Treppenstufen seien unterschiedlich hoch und es fehle ein taktiles Leitsystem für Menschen mit Sehbehinderungen.
Es gibt etwa eine freischwebende Treppe, die über einen Fußweg ragt. Vor allem Sehbeeinträchtigte laufen dort Gefahr, sich den Kopf zu stoßen. Eine weitere Falle: Vor einer Treppe, die nach unten führt, fehlt ein barrierefreier Warnhinweis für Blinde. Ebenso wenig seien die Wege rollstuhlgerecht, weil sie zu eng sind, als dass sich zwei Rollstuhlfahrer ausweichen könnten.
Gegen die Baugenehmigung legte die LAGS zusammen mit „Selbstbestimmt Leben“ und dem Blinden- und Sehbehindertenverein einen zwölfseitigen Widerspruch ein. Er ist eine Vorstufe zur Klage. Frankenstein wirft der Baubehörde „Unsensibilität“ vor: Bei der Prüfung des Vorhabens habe sie weder auf die Belange von körperlich beeinträchtigten noch von sinnesbeeinträchtigten Menschen geachtet. „Barrierefreiheit ist nicht ‚nice to have‘, sondern gesetzlich verankert“, so Frankenstein.
Die Behörde weist die Vorwürfe zurück. Für das Forum am Wall „hat noch keine Endabnahme stattgefunden“, sagte Jens Tittmann, Sprecher des Bausenators. Besagte Treppen und das taktile Leitsystem würden noch überprüft. „Wenn der Bau nicht barrierefrei umgesetzt ist, fordern wir Nachbesserungen.“ Nur blöd, dass das Gebäude schon öffentlich zugänglich ist. Wenn die Baugenehmigung nicht ordnungsgemäß umgesetzt ist, fällt das laut Tittmann jedoch in die Verantwortung des Eigentümers.
Frankenstein sieht die Ursache des Problems darin, dass „der Landesbehindertenbeauftragte in das Genehmigungsverfahren nicht eingebunden wurde“. Das wäre rechtlich zwar wegen des privaten Eigentümers nicht erforderlich gewesen, hätte aus Frankensteins Sicht jedoch geholfen, bauliche Barrieren vorab auszuschließen.
Der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück teilt die Kritik der Behindertenverbände „uneingeschränkt“. Auch die Stadtbibliothek habe sich vor einigen Monaten in dieser Angelegenheit an ihn gewendet. BesucherInnen hatten sich beschwert, dass sich der barrierefreie Zugang zur Bibliothek durch den Umbau verschlechtert hat.
Steinbrück meldete das Problem der Baubehörde: „Meine Mailanfrage wurde intern zwar an die zuständige Stelle weitergeleitet, blieb aber bisher unbeantwortet.“
Die Vereine warten nun darauf, wie die Behörde auf den Widerspruch reagiert. Werden die Barrieren nicht aufgehoben, wollen sie klagen. Dann müsste das Verwaltungsgericht entscheiden, ob die Baugenehmigung rechtmäßig war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!