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Klage gegen Schneller-Bauen-GesetzEine Frage der Verfassung

Linke und Grüne klagen gegen das Schneller-Bauen-Gesetz. Der Senat verschaffe sich damit zu große Möglichkeiten, die Bezirke zu entmachten.

Wenn sich Kräne drehen, will der Senat mitreden Foto: Imago
Erik Peter

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Erik Peter aus Berlin

Die Fraktionen von Linken und Grünen im Abgeordnetenhaus ziehen zum Landesverfassungsgericht, um einen Passus im Schneller-Bauen-Gesetz des Senats in einem Normenkontrollverfahren überprüfen zu lassen. Das kündigten die Fraktionsvorsitzenden Werner Graf (Grüne) und Tobias Schulze (Linke) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag an und stützten sich dabei auf ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten. Im Kern geht es um das in dem Gesetz festgeschriebene Recht des Senats, Wohnungsbauvorhaben in den Bezirken bereits ab einer Größenordnung von 50 Wohnungen an sich zu ziehen.

„Wir halten das für falsch und zu kleinteilig“, heißt es von Werner Graf. Stattdessen solle sich das Land „um die großen Fragen kümmern, die im Gesamtinteresse Berlins sind“. Die Bezirke hingegen sollen „in ihrem Spektrum agieren können“. Schulze sagt: „Die Willkür, Dinge an sich zu ziehen, wenn man das Gefühl hat, die Bezirke machen es nicht so, wie man selbst möchte, muss beendet werden.“ Die Verfassung müsse so ausgelegt werden, „das eine bessere Verwaltung herauskommt, nicht eine schlechtere“. Unklare Zuständigkeiten dagegen führten zum bekannten „Pingpong“, bei dem am Ende niemand zuständig sei, so Schulze.

Im Ende vergangenen Jahres in Kraft getretenen Schneller-Bauen-Gesetz ist geregelt, dass Bauvorhaben mit 50 Wohnungen grundsätzlich als städtisches Gesamtinteresse gelten. Diese Definition erlaubt der Landesregierung, Bauvorhaben ohne Begründung an sich zu ziehen und die Bezirke damit zu entmachten. Die Oppositionsparteien halten dem entgegen, dass laut Verfassung ein Eingriffsrecht der Landesebene nur bestehen dürfe, wenn ein „erhebliches Gesamtinteresse“ Berlins betroffen sei. Dies sei bei einer derart geringen Anzahl von Wohnungen nicht der Fall.

Verlängerter Mieterschutz

Die Mietpreisbremse gilt in Berlin nun bis Ende 2029. Diese Verlängerung hat der Senat in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen. Geregelt ist, dass in angespannten Wohnungsmärkten die Mieten innerhalb von drei Jahren um maximal 15 Prozent erhöht werden dürfen. Dass ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt, begründete Senator Christian Gaebler (SPD) mit Mieten, die schneller steigen als im Bundesschnitt und mit der zunehmenden Differenz zischen Bestands- und Neuvermietungsmieten.

Die Umwandlungsverordnung wurde ebenfalls verlängert – bis Ende 2030. Sie regelt einen Genehmigungsvorbehalt für Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen. Seit Inkrafttreten der Regelung ist die Anzahl der jährlichen Umwandlungen von mehr als 28.000 auf unter 1.000 gesunken. (epe)

Vom Gericht erhoffe man sich daher eine „Grenzziehung“. Laut Werner Graf könnte eine neue Schwelle bei einer Anzahl von 200 Wohnungen liegen. Entscheidend sei zudem, das auch begründet werde, warum der Senat die Landeskompetenz geltend macht.

Geabler gibt sich gelassen

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) begründete die Grenze von 50 Wohnungen mit dem kooperativen Baulandmodell, bei dem Bauherren eben ab dieser Größe auch einen Anteil an Sozialwohnungen errichten müssen. Gaebler sagte: „Ich bin guten Mutes, dass das Verfassungsgericht nach einer eingehenden Prüfung sagt, dass das Gesetz verhältnismäßig ist und sich aus nachvollziehbaren Kriterien ableitet.“ Zugleich kritisierte er, dass einige Bezirke „sich aus schlicht nicht nachvollziehbaren Gründen Wohnungsneubau verweigern“.

Immer wieder hatte der Senat zuletzt – meist größere – Bauvorhaben aus den Bezirken an sich gezogen, etwa das Projekt „Urbane Mitte“ am Gleisdreickpark oder ein Neubauvorhaben am Standort des Emmauswalds in Neukölln. Kritik an der noch einfacheren Entmachtung der Bezirke durch das Schneller-Bauen-Gesetz begleitete den Gesetzgebungsprozess von Anfang an. Doch nicht nur das: Auch Natur- und Denkmalschutzbehörden können für das Ziel, schneller zu mehr Neubau zu gelangen und dafür Planungsverfahren zu beschleunigen, leichter als bislang überstimmt werden.

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