Klage gegen "Huffington Post": Blogger wollen ihren Anteil
Das Blog-Netzwerk "Huffington Post" wurde teuer an den Netzriesen AOL verkauft. Die Blogger wollen jetzt 105 Millionen Dollar abhaben.
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Jonathan Tasini ist sauer auf die Huffington Post. Der US-Autor, Gewerkschaftsaktivist und Blogger hat deshalb Anfang dieser Woche eine Sammelklage gegen das große amerikanische Blog-Netzwerk eingereicht. Der Inhalt: Die HuffPost habe Autoren seiner Ansicht nach "wie Sklaven auf einer Plantage gehalten". Die Chefin des Online-Mediums, Arianna Huffington, nehme nun Millionen von Dollar ein - und das basierend auf der Arbeit von Bloggern, die kostenlos gearbeitet hätten.
105 Millionen Dollar will Tosini zusammen mit anderen HuffPost-Bloggern deshalb erstreiten - von dem dreistelligen Millionen-Dollar-Betrag, den Huffington und ihre Investoren gerade beim Verkauf der HuffPo an den Netzriesen AOL erhalten haben. Hunderte von Bloggern hätten kostenlos für das Medium geschuftet, so Tasini, der zuvor schon erfolgreich gegen die Ausbeutung freier Mitarbeiter bei der New York Times vorgegangen war.
Eigentlich galt die HuffPost als Paradebeispiel für die neuen Online-Medien: Blog-artig aufgemacht und mit einer eigenen (bezahlten) Redaktion samt zahlloser freier (unbezahlter) Blogger ausgestattet, soll das Netzwerk zwischenzeitlich sogar leicht schwarze Zahlen geschrieben haben. Mit einer liberalen Attitüde, vielen Promi-Stories und einer lockeren Schreibe samt gutem Community-Management. Dann kam das Frühjahr 2011 und mit ihm der Verkauf an den Internet-Giganten AOL, der keineswegs als so progressiv gilt, wie Huffington und die HuffPost sich bislang stets darstellten.
315 Millionen Dollar ließ sich AOL die Übernahme kosten, erstaunliche 300 Millionen davon in bar. Seither ist Huffington, die sich den Aufbau der Firma mit einem zweistelligen Millioneninvestment durch Risikokapitalgeber finanzieren ließ, wie das in der Internet- und IT-Szene häufig der Fall ist, Multimillionärin.
AOL will das Modell übernehmen
AOL-Boss Tim Armstrong, der von Google kommt und seit mittlerweile zwei Jahren versucht, aus dem hoffnungslos angestaubten Online-Dienst eine moderne Web-Firma zu formen, übernahm die HuffPost nicht nur wegen ihrer Inhalte und der großen Reichweite. Stattdessen will er das dort eingeübte Modell auf andere AOL-"Properties", also Blogs und Online-Magazine, übertragen und gegebenenfalls durch den HuffPost-Ansatz ersetzen. Seither rotiert bei AOL die Kreissäge: Mehrere auch bekanntere Blogs wurden geschlossen ("Download Squad") oder mit anderen verschmolzen ("TV Squad" / "AOL TV"). Beim AOL-Flaggschiff "Engadget", einer Pflichtlektüre für Technikfans, sorgten die HuffPost-Übernahme und zuvor eingeleitete Verschlankungsmaßnahmen für einen Exodus: Sowohl der Chefredakteur als auch wichtige Redakteure gingen und tauchten nun bei einem kleineren Blog-Unternehmen wieder auf.
Huffington, die sonst gerne viel lacht und mit ihren Beziehungen zu Promis und Politikern glänzt, dürfte die Sammelklage von Gewerkschaftsaktivist Tasini nicht viel Freude bereiten. Beim kombinierten AOL-HuffPost-Unternehmen ist sowieso schon enorme Unruhe drin. Der bekannte amerikanische "Blogvater" Dave Winer kommentierte, AOL schneide sich jede Woche selbst Gliedmaßen ab: "Jeder in der Firma denkt jetzt, er sei als nächstes dran [mit Entlassungen]."
Tasini will zudem Huffingtons Image der bekennenden Liberalen angreifen. "Ich will sie zu einer Geächteten in der progressiven Gemeinschaft machen", kündigte er an. Autoren müssten an den Werten beteiligt werden, die sie schufen.
Bei der Huffington Post hieß es vor der Klage stets, das Blog-Netzwerk bestehe ja nur teilweise aus kostenlos erstellten Blogs. Diese würden von Autoren gefüllt, die die "Exposure", also die Darstellung im größeren Rahmen, suchten. Der Rest der Inhalte stamme von einer Profi-Redaktion, die branchenüblich bezahlt wird.
Tasini seine Anwälte dürfte das nicht beeindrucken. Sie können auf interessante Fälle verweisen, die sich im AOL-HuffPost-Umfeld in den letzten Wochen abspielten. So schloss AOL gerade das Blog "Cinematical" beziehungsweise schloss es mit dem Angebot "Moviefone" zusammen. Die Redaktionsleistung von "Moviefone" sagte den entlassenen freien Journalisten, sie könnten sich ja, wenn sie wollten, als Gratis-Autoren betätigen.
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