Klage beim Verfassungsgericht: Kirche gegen Sonntagsshopping
Dürfen Geschäfte auch sonntags öffnen? Diese Frage verhandelt jetzt das Verfassungsgericht, weil Kirchen gegen zehn verkaufsoffene Sonntage in Berlin klagen.
KARLSRUHE taz | "Den Sonntag heiligen heißt: sich öffnen für die Teilhabe an Gottes Heiligkeit", so argumentierte, nein, predigte Berlins evangelischer Bischof Wolfgang Huber am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht. Es ging um die Klage der beiden christlichen Kirchen gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz, das bis zu zehn verkaufsoffene Sonntage pro Jahr erlaubt.
Maßstab ist für die Richter aber nicht das Gebot der Bibel, den Sabbat zu heiligen, sondern eine ausdrückliche Regelung im Grundgesetz: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Der Gesetzgeber darf den Sonntagsschutz also nicht abschaffen, sondern nur an moderne Bedürfnisse anpassen. Ausnahmen für Industriearbeiter, Lokführer und Journalisten gab es schon immer. Der Einzelhandel hat jedoch eine besondere Stellung, weil er das öffentliche Leben prägt und deutlich macht, dass der Sonntag kein Werktag ist.
Bis 2007 konnten die Läden bundesweit maximal vier Sonntage pro Jahr geöffnet bleiben, aber nur aus besonderen Anlässen wie Messen. Seit der Föderalismusreform sind die Länder für den Ladenschluss zuständig und haben ihn teilweise liberalisiert. So darf in Berlin werktags rund um die Uhr verkauft werden, während das Sonntagsverbot nicht so stark gelockert wurde.
Nur an zehn von 52 Sonntagen sind in Berlin die Läden geöffnet. Das sind die vier Adventssonntage, hinzu kommen weitere vier berlinweite Anlässe wie die Grüne Woche oder die Internationale Funkausstellung sowie zwei Sonntage, die auf bezirklicher Ebene genehmigt werden, etwa aus Anlass eines Stadtfestes. "Der Eindruck täuscht, dass wir heute mehr verkaufsoffene Sonntage haben als früher", sagte Berlins Sozialsenatorin Katrin Lompscher (Linke). "Wir haben jetzt eine ehrliche Regelung, während es früher mehr Grauzonen gab."
Die Kirchen stören sich vor allem daran, dass die Adventssonntage "dem Kommerz geöffnet werden". Der Advent soll, zumindest sonntags, eine "besinnliche Zeit" bleiben können. Zwar sieht das Berliner Gesetz vor, dass die Geschäfte zum Schutz der Gottesdienste sonntags erst ab 13 Uhr öffnen dürfen. Das genügt den Kirchen aber nicht. "Das Grundgesetz unterscheidet nicht zwischen Sonntagvormittag und Sonntagnachmittag", sagt Berlins katholischer Erzbischof Georg Sterzinsky. Huber erinnerte an Adventskonzerte und Adventsbasare, die vor allem nachmittags stattfänden.
Vertreter der Wirtschaft unterstützten dagegen die Berliner Regelung. Die teilweise Sonntagsöffnung bringe ein Prozent mehr Umsatz, sagte Stefan Genth vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. Der jahrelange Personalabbau konnte gestoppt werden, betonte Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg.
Umstritten ist, ob die Klage der Kirchen überhaupt zulässig ist, denn der Sonntagsschutz ist kein einklagbares Grundrecht, sondern steht weiter hinten im Grundgesetz. Die Kirchen beriefen sich deshalb ganz allgemein auf die Religionsfreiheit. Die Gläubigen könnten nicht mehr erreicht werden, wenn sie lieber einkaufen gehen oder sogar arbeiten müssen. Das Urteil wird in einigen Monaten fallen.
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