Kita-Streik gescheitert: Jetzt sollen die Schlichter ran
Geschlossene Kitas waren für die Kommunen finanziell leichter zu ertragen als andere Streiks. Am Ende war die Situation verfahren.
Bis in den frühen Morgen hatten Bsirske und die Seinen mit den VertreterInnen der Städte und Gemeinden um eine Verständigung in dem seit Monaten andauernden Konflikt gerungen. Am Ende jedoch konnten sie sich nach dem sechzehnstündigen Verhandlungsmarathon in Berlin nur darauf einigen, sich nicht einigen zu können. Auf Vorschlag der Arbeitgeber soll nun per Schlichtung eine Lösung gefunden werden.
Glücklich sind die in Frankfurt versammelten Gewerkschaftsmitglieder damit nicht. „Ich habe eine Wut in mir, dass es so ausgegangen ist“, sagt Peter Erlbeck aus Nürnberg. Noch in der Nacht zuvor saß er mit in Berlin am Verhandlungstisch. „Es war unbefriedigend, ein Entgegenkommen der Gegenseite gab es nicht.“ Eine Sozialarbeiterin aus Lehrte bei Hannover sagt: „Wir waren vier Wochen auf der Straße und fragen uns jetzt: wofür?“
Die Öffentlichkeit hätte kein Verständnis
Auf ein altes Verdi-Kampagnenplakat hat eine Erzieherin „Wortbruch“ in Großbuchstaben mit blauem Edding-Stift geschrieben. Als Frank Bsirske den Tagungsraum „Horizont“ betritt, klopfen ihm trotzdem viele auf den Rücken. „Die Basis steht zu dir“, ruft ihm eine Erzieherin zu. Der Verdi-Chef verteidigt das Ergebnis: „Die Öffentlichkeit hätte kein Verständnis, wenn wir die Schlichtung nicht angenommen hätten.“
Die Situation ist verfahren. Auch nach vier Wochen Streik lehnen die Kommunen weiterhin Forderung nach einer generellen Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe strikt ab. Die Hartleibigkeit der Arbeitgeber dürfte auch damit zu tun haben, dass – anders als bei anderen Arbeitskämpfen –der Ausstand ihnen keine Kosten verursacht, im Gegenteil. Rund 80 Millionen Euro könnten die Städte und Gemeinden laut Berechnungen sogar bislang gespart haben.
Jetzt hat sich Verdi bereit erklärt, den Streik auszusetzen. Am Sonntag beginnt die vereinbarte Friedenspflicht. Sie gilt bis zum Ende der Schlichtungsverhandlungen, die in der kommenden Woche beginnen.
Für Verdi geht Herbert Schmalstieg als Schlichter ins Rennen
Als Schlichter hat Verdi Hannovers Ex-Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg benannt. Der 71-jährige SPD-Mann, der bereits 2010 im Streit zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften im öffentlichen Dienst erfolgreich vermittelt hat, gibt sich zuversichtlich: „Ich glaube, dass die Arbeitgeber wissen, welche wichtige Aufgabe Erzieherinnen und Erzieher im Kindertagesstättenbereich haben“, sagt Schmalstieg. „Da werden wir schon was bewegen.“
Allerdings geht es Verdi nicht nur um die ErzieherInnen. Auch KinderpflegerInnen, SozialassistentInnen, SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, HeilerziehungspflegerInnen sowie Beschäftigte im handwerklichen Erziehungsdienst und in der Behindertenhilfe sollen bessergestellt werden. Mittels höherer Eingruppierung sollen sie alle künftig im Durchschnitt 10 Prozent mehr verdienen.
Doch damit beißt die Gewerkschaft bei den kommunalen Arbeitgebern auf Granit. Nur für ErzieherInnen, „denen schwierige fachliche Tätigkeiten in einem pädagogischen Spezialgebiet übertragen sind“, sowie für Kita-LeiterInnen und ihren Vertretungen haben sie bisher ein Angebot gemacht – das weit hinter der gewerkschaftlichen Forderung zurückbleibt.
Den Druck aufrechterhalten
Wen die Arbeitgeber als ihren Schlichter benennen, stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest. Verdi-Chef Bsirske rechnet mit einem Ergebnis „bis Mitte übernächster Woche“. An einen Schlichterspruch wären die Tarifparteien nicht gebunden. Er sei jedoch eine „starke Vorgabe für beide Seiten“, sagt Bsirske.
An der in Frankfurt versammelten Basis ist der Kampfgeist weiter ungebrochen. „Wir werden alles tun, was im Rahmen der Friedenspflicht möglich ist, um den Druck aufrecht zu erhalten“, sagt Birgit Weindel. „Wenn die Arbeitgeber uns ausbluten lassen wollen, dann werden wir ihnen zeigen, wie stark wir Frauen sind.“ Die Sozialpädagogin aus Hattersheim ist überzeugt: „Wir werden nicht einknicken.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen