Kirgistan und der Krieg in der Ukraine: Fernseher „schlägt“ Kühlschrank
Viele Kirgisen unterstützen Russlands Präsidenten Putin. Die Gründe dafür sind so vielseitig wie die russisch-kirgisischen Beziehungen.
G erne möchte man schreiben, dass die meisten Kirgisen die Ukrainer unterstützen, dass sie Spenden für notleidende Regionen sammeln, den Schmerz des Verlustes mit ihnen tragen und für eine schnelle Beendigung der Gefechte von Seiten Russlands beten – aber so ist es nicht.
Kirgistan ist ein kleines Land in Zentralasien, dabei ist es fünfmal größer als die Schweiz. Die Republik Kirgistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Nach Schätzungen der Weltbank könnten bis zum Jahresende 38 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben. Doch gleichzeitig ist es auch das freieste Land der Region.
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Als „Inselchen der Demokratie“ konnten wir uns einmal rühmen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen wir auf Platz 72 (von 180), während sich unsere nächsten Nachbarn – Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan – auf Plätzen unter 100 befinden. Die meisten Kirgisen jedoch stehen nach wie vor unter dem Einfluss russischer Propaganda. Und das ist der größte Schmerz.
aus Bishkek ist stellvertretende Chefredakteurin des Nachrichtenportals 24.kg
Die Mehrheit ist „für Putin“: Diese Menschen rechtfertigen seine Handlungen, verwenden die Hassrede der russischen Fernsehsender, unterstützen die Rhetorik und Handlungen der Russischen Föderation. Es besteht aber auch eine große Abhängigkeit des Landes und seiner Politiker von Russland. „Wir sind darauf vorbereitet, noch 300 Jahre mit Russland zusammen zu sein“, verkündete Akylbek Dschaparow, Ministerpräsident des Landes.
Kirgistan ist durch viele Abkommen mit der Russischen Föderation verbunden, z.B. durch die Eurasische Wirtschaftsunion, das Militärbündnis OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit) und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Mehr als eine Million Bürger unseres Landes leben als Arbeitsmigranten in russischen Städten.
Seit dem 24. Februar haben sich die nationalistischen Stimmen innerhalb des Landes verschärft. Ein Teil der Bevölkerung ging gewaltsam gegen die Menschen vor, die als Flüchtlinge aus Russland gekommen waren. Ihre Ankunft sowie ökonomische Folgen der Sanktionen gegen Russland haben in viele Bereiche des Lebens der Kirgisen eingegriffen.
Besonders stiegen die Mietkosten, die Preise für Lebensmittel, Transport, Flüge und Urlaub. Seit Anfang 2022 sind die Preise für Grundnahrungsmittel um 15 Prozent gestiegen. Lokale Experten sagen derweil, dass die größte Krise erst noch kommt, vergleichbar etwa mit der Situation zu Beginn der 1990er Jahre, als die Sowjetunion zerfiel und Kirgistan unabhängig wurde.
Doch scheint die Propaganda derzeit noch stärker zu sein als der Hunger. Noch „schlägt“ der Fernseher den Kühlschrank, wie man so schön sagt. Und Hundertausende meiner Landsleute, die an ihrem Bildschirm kleben, verschlingen weiter die Informationen der russischen Propaganda.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
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