Kirchentag in Bremen beginnt: Glaube, Wirtschaft, Pfadfinder

Der evangelische Kirchentag beginnt mit einem "Abend der Begegnung" - praktisch aber Gleichgläubiger. Denn nur 2,8 Prozent der Teilnehmer haben die Konfession "Sonstige".

Sie haben eine Mission - Halstücher verkaufen in diesem Fall. Bild: ap

Bereits um 11.28 Uhr wurden die ersten singenden Pfadfinder gesichtet: Mit ihrer Klampfe kämpften sie ebenso tapfer wie bilderbuchmäßig gegen den tosenden Verkehr in der Bremer Innenstadt.

Seither füllt sich die Stadt unaufhörlich mit Menschen, 300.000 machen den heutigen "Abend der Begegnung", die traditionelle Eröffnung des Deutschen Evangelischen Kirchentages, zum größten jemals in Bremen gestiegenem Straßenfest.

Die Losung des 32. Kirchentags, "Mensch, wo bist Du?", entnommen dem zweiten Buch Mose, wird für viele dann eine sehr praktische Bedeutung haben: Um sich zwischen all den Auftakt-Gottesdiensten und Mitmachangeboten zu orientieren und verlorene Bekannte wieder zu finden, stehen unter anderem 4.682 PfadfinderInnnen bereit.

Die Pressestelle des Kirchentages kokettiert gern mit allen möglichen Zahlen, die die "menschliche Dimension" des Mega-Ereignisses illustrieren sollen: So seien 40.000 Papphocker gefaltet und 170.340 Kerzen - "inklusive Teelichter" - von Helfern verteilt worden, die wiederum mit 405 Kilogramm Nussnougat-Creme, Bio, belohnt würden. Was bei 12.004 Ehrenamtlichen allerdings auch nur ein Klecks auf eins der 50.000 Helfer-Brötchen ist.

Mit 60 Prozent Frauen ist der Kirchentag gewohnt weiblich dominiert. Älter werde er nur im Rahmen des allgemeinen demografischen Wandels, sagt Generalsekretärin Ellen Ueberschär bei der Eröffnungs-Pressekonferenz. Immerhin stellten die SchülerInnen fast ein Drittel der TeilnehmerInnen.

In Bezug auf Zahlen erweist sich die Pressekonferenz des allerdings auch als ein Ort der Desinformation: Die Kirchentags-Teilnahme sei für Hartz IV-EmpfängerInnen kostenfrei, sagte Geschäftsführer Hartwig Bodmann auf Nachfrage. Das allerdings ist falsch: Deren ermäßigte Teilnahmegebühr beträgt immer noch 49 Euro, lediglich in Bremen gab es ein eigenes Hartz IV-Kartenkontigent für 14 Euro. Die normale Dauerkarte ist für 89 Euro zu haben.

Insgesamt hat der diesjährige Kirchentag mit ziemlich genau 100.000 DauerteilnehmerInnen dieselbe Größenordnung wie sein Vorgänger in Köln, auch der finanzielle Rahmen ist mit 14,2 Millionen Euro in etwa konstant geblieben. Etwas über die Hälfte dieser Summe bringt das hochverschuldete Bremen auf, was im Vorfeld durchaus für Diskussionen sorgte.

Nichtsdestoweniger begrüßt Schriftführer Renke Brahms - die recht hierarchiearme Bremer evangelische Kirche kennt keinen Bischof - den Kirchentag als Chance: Sowohl in Stadtentwicklungs- und ökonomischer Hinsicht als auch, um auf "sich religiös unmusikalisch Nennende zuzugehen".

Auch Generalsekretärin Ueberschär betont den Stellenwert von Spiritualität im Rahmen des Kirchentages, deren Balance mit den politischen Inhalten der vor sechzig Jahren begründeteten Großveranstaltung mache das Profil des Kirchentages aus. Dieser sei weder Bischofskonferenz noch Parteitag, schon gar nicht "ein verlängertes Wellness-Wochenende".

Gerade die aktuelle Wirtschaftskrise habe vielen Menschen wieder bewusst gemacht, wie wichtig die Rückbesinnung auf Werte sei. Ueberschär: "Dabei braucht es keine christliche Besserwisserei, sondern ein Gespräch, das Werthaltungen von Menschen aus anderen Religionen ernst nimmt und einbezieht."

Laut Statistik des Kirchentags fallen allerdings nur 2,8 Prozent der TeilnehmerInnen unter die Konfessions-Kategorie "sonstige".

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