Kirchen präsentieren Sozialthesen: Papier voller Sprechblasen
Gemeinsam haben die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche Leitlinien für eine „gerechte Gesellschaft“ formuliert.
BERLIN taz | In einem gemeinsamen Papier legten die beiden großen Kirchen in Deutschland am Donnerstag Thesen für eine „erneuerte Wirtschafts- und Sozialordnung“ vor. Die 60seitige Schrift unter dem Titel „Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft“ beschäftigt sich mit Sozialpolitik, Wirtschaftsordnung und Ökologie und möchte eine „breite gesellschaftliche Debatte“ anstoßen.
In dem Papier warnen die Kirchen davor, „Gewinnmaximierung um jeden Preis“ anzustreben. Mit Blick auf die Finanzmarktkrise habe sich gezeigt, dass die „Ideologisierung der Deregulierung“, die die Politik jahrelang dazu drängte, die Märkte sich selbst zu überlassen, widerlegt worden sei. Konkrete Forderungen gehen aus dem Papier kaum hervor.
Armut müsse nicht nur in der materiellen, sondern auch in der „sozialen und kulturellen“ Dimension in den Blick genommen werden. Insgesamt sei die soziale Ungleichheit in den letzten 30 Jahren in Deutschland gewachsen. „Damit sind Anfragen an die Gerechtigkeit der sozialen Verhältnisse verbunden“, heißt es in den Papier, ohne jedoch konkreter auf Verteilungsfragen einzugehen.
Bei der Rente mit 67 müsse „alles dafür unternommen werden, dass diese Altersgrenze prinzipiell von allen Berufstägigen auch erreicht werden kann“, heißt es. Die Kircheninitiative lobt die Vorhaben der Großen Koalition wie die Mütterrente und den Mindestlohn. „Anpassungsmaßnahmen“ im Rentensystem werden aber weiterhin „unvermeidlich“ sein. Und beim Mindestlohn müsse darauf geachtet werden, dass „bestehende Arbeitsverhältnisse nicht verdrängt werden“. Die Hartz-Reformen werden rückblickend für gut befunden, da sie dazu beigetragen hätten, die Arbeitslosigkeit zu senken.
Anknüpfen an 1997
Mit dem Papier möchte die Kirche an das berühmt gewordene „Sozialwort“ der Ökumene von 1997 anknüpfen. Damals wurden Massenarbeitslosigkeit und Armut in langen Passagen gegeißelt. Das Papier, das nach einer breiten Diskussion in der Kirchenbasis entstand, galt als ein Meilenstein im Widerstand gegen neoliberale Politik. Damals war eine Regierungskoalition aus Union und FDP an der Macht, die ein Jahr später abgewählt wurde.
Im Unterschied zum Sozialwort von 1997 wurde das neue Papier jedoch ohne eine so breite Beteiligung der Basis geschrieben. Kritik daran kommt aus der Kirche selbst. Johannes Stockmeier, Präsident der Diakonie Deutschland, bemängelte, dass weder der Umgang mit pflegebedürftigen Menschen noch die Migration in dem Papier eingehender thematisiert werden.
Der Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD kritisierte, dass man sich für die neue Initiative „klarere Worte und zukunftsweisendere Überlegungen“ gewünscht hätte. Mögliche Streitpunkte würden durch „vage Sätze überdeckt“. Sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund als auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lobten die Schrift.
Die Religionsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese, erklärte, die Sozialinitiative sei „ein wichtiger gemeinsamer Schritt, aber es fehlen deutlichere Worte für eine gerechte Wirtschaftsordnung“.
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