Kinotipp der Woche: Funny Ladies

Eine Reihe im Zeughauskino widmet sich noch bis in den Dezember hinein Komödienschauspielerinnen des US-Stummfilms.

Mabel Normand in "The Extra Girl" von F. Richard Jones (US 1923)

Mabel Normand am Set von „The Extra Girl“ von F. Richard Jones (US 1923) Foto: Zeughauskino

In der Kleinstadt River Bend, irgendwo im Nirgendwo Südkaliforniens, träumt Sue Graham von einer Hollywood-Karriere. Wer den Drogisten sieht, den ihr Vater sich als ihren Mann vorstellt, versteht, warum sie weg will. Ein Preisausschreiben soll den Erfolg bringen. Tut es auch – und dann auch wieder nicht.

F. Richard Jones „The Extra Girl“ von 1923 ist im ersten Teil eine Kleinstadtkomödie, im zweiten eine über die Filmindustrie – und alles in allem eine sehr gelungene, was vor allem an Mabel Normand als Hauptdarstellerin liegt. Normand manövriert souverän durch die Handlung, hat komödiantisches Können ebenso wie genug Anrührendes, um melancholische Szenen glaubhaft zu verkörpern.

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Die beiden Filmhistoriker Philipp Stiasny und Frederik Lang zeigen „The Extra Girl“ im Rahmen einer Reihe, die sich im Zeughauskino bis in den Dezember hinein Komödienschauspielerinnen des US-Stummfilms widmet. „Flapper, It-Girls, Funny Ladies. Lust und Lachen im amerikanischen Stummfilm der 1920er Jahre“ verbindet verschiedene Fährten von Wiederentdeckungen der letzten Jahre zu einer unterhaltsamen Überblicksschau von vergessenen Darstellerinnen.

„The Extra Girl“ beginnt mit einer Kavalkade von missverständlichen Szenen, die – man ahnt es – zu Missverständnissen führen. Der Film nutzt die Räume des Hauses der Grahams als Bühnenräume mit unbemerkten Zuschauern, einige Male kommt ein Vorhang zum Einsatz, um als Leinwand im Film, Szenen als Schattenspiel ins Bild zu rücken.

Flapper, It-Girls, Funny Ladies. Lust und Lachen im amerikanischen Stummfilm der 1920er Jahre: Zeughauskino, Unter den Linden 2, bis 19. Dezember

Der Humor des Films ist gut geerdet, ohne allzu sehr in den Schwank abzugleiten, eher genießt die Inszenierung das Chaos, in das die Situationen wieder und wieder ausarten. Sues Schwarm hält ihr die Leiter zur Flucht an den Balkon, wird entdeckt, also rennen Sues Eltern und ihre Gäste um das Haus herum zur Leiter, während Sue und ihr Schwarm zur Vordertür heraus rennen.

Anspielungen auf den Sexismus

Sue ergattert endlich die Chance, einem Regisseur vorzuspielen, setzt sich vorher hinter der Bühne aber auf einen Handschuh mit frischer Farbe, spielt die Szene also mit einem schwarzen Handabdruck am Hintern. Nicht die einzige Anspielung auf den Sexismus, der die Darstellerinnen und ihre Rollen umgab.

Langsam gleiten die Augen des Mannes mit Halbglatze von den Knien die Beine entlang nach oben bis sie schließlich bei Anitas Augen ankommen, die diesen schleimigen Vorlauf nicht erst gebraucht hätten, um Blitze zu sprühen. Anita starrt den Mann in Grund und Boden.

Der Mann mit Halbglatze ist der Chef des Freundes ihrer Mitbewohnerin. Eigentlich hatten die beiden hungrigen Frauen darauf spekuliert, zum Essen eingeladen zu werden, aber Pustekuchen. Hal Yates Kurzfilm „A Pair of Tights“ von 1929 mit dem Komikerinnenpaar Anita Garvin und Marion Byron läuft als Vorfilm zu „The Extra Girl“.

Auch Norma Talmadge muss sich als Zeitungsverkäuferin Kiki auf ihrem Weg zur Revuetänzerin einiger Übergrifflichkeiten erwehren. Clarence Browns „Kiki“ ist die Verfilmung eines gleichnamigen Bühnenerfolgs von André Picard. Die Theatervorlage merkt man dem Film erfreulich wenig an. Kiki ergattert die Rolle und bald auch das Herz von Theaterdirektor Victor Renal.

Auch die Musik lohnt den Besuch

Stiasny und Lang haben das Fördergeld des Hauptstadtkulturfonds unter anderem darauf verwandt, eine ganze Reihe von Musiker_innen für die Reihe zu gewinnen, die in Berlin nicht allzu oft zu hören sind. Neben den Filmen lohnt also auch die Musikbegleitung den Besuch im Zeughauskino.

Die Schauspielerinnen, die die Reihe wiederentdeckt, prägten über Jahre, teils Jahrzehnte die Hollywood-Komödien. Mabel Normand spielte in einer ganzen Reihe erfolgreicher Filme der Zeit mit, war zentral für den Karrierebeginn von Charlie Chaplin und geriet durch eine Reihe von Skandalen und ihren frühen Tod mit nur 36 Jahren an Tuberkulose dennoch schnell in Vergessenheit.

Auch Anita Garvin ist trotz der fast 100 Filme, an denen sie u.a. an der Seite von Oliver Laurel und Stan Hardy mitgewirkt hat, heute nur noch wenigen ein Begriff. „Flapper, It-Girls, Funny Ladies“ ist eine Einladung zu vergnüglichen Wiederentdeckungen.

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