Kinofilm Sex and the City II: Reise ins präfeministische Terrain
Ausgerechnet Abu Dhabi ist der aktuelle Schauplatz von "Sex and the City 2".Dort sind die Frauen zwar verschleiert - aber drunter tragen sie Designerfummel. Oha.
Dass in "Sex and the City 2" die Privatkrisen der Hauptfiguren selten mit den Krisen korrelieren, die den Rest der Welt erschüttern: geschenkt. Und doch hätte die Vertiefung aktueller Problemfelder dem zweiten "Sex and the City"-Film zu etwas Interessantheit verhelfen können.
Erstens: Was wäre geschehen, wenn Mr. Big im Zuge der Finanzkrise verarmt wäre? Hätte sich Carrie Bradshaw (Sarah Jessica Parker) von dem smarten Geschäftsmann scheiden lassen? Man wird es nie erfahren, "Big" weiß nichts von einer Krise.
Zweitens: Hätte es nicht nahe gelegen, das Klimakterium zum Hauptmotiv des Films zu machen? Immerhin ist Samantha (Kim Catrall) mittlerweile 52 und die Wechseljahre genießen nach langer Tabuisierung Konjunktur, nicht nur in Doris Dörries "Klimawechsel". Tatsächlich hat Samantha mit ein paar Hitzewallungen zu kämpfen, doch in "Sex and the City" gibt es eben keine echten Krisen: Scherze über bioidentische Östrogencreme und Testosteron-Shots müssen reichen. Letztere helfen Samantha etwa dabei, "down under" noch etwas zu spüren, wenn sie eine australische Wasserballmannschaft in knappen Speedos in den Pool hüpfen sieht!
Unverständlich jedoch, warum Michael Patrick King (Buch und Regie) die Frauen dann ausgerechnet vor ein Problem stellt, das ihre Kompetenzen nun wirklich übersteigt: korrektes Verhalten außerhalb New Yorks. Auf Einladung eines Scheichs reisen die Vorzeige-Postfeministinnen in vollständig präfeministisches Terrain, nach Abu Dhabi. Dort sind die Frauen verschleiert. Also gar nicht frei! Von nahe liegenden Reflexionen zum Zusammenhang zwischen Freiheit und dem Sex-and-the-City-Regime aus Pilates, Botox, South-Beach-Diät und Christian-Louboutin-Pumps muss mit ergriffenen Huchs!, Wows! und Hachs! vor orientalischer Märchenkulisse abgelenkt werden. Dafür kommt es auf dem Souk zu einem Schulterschluss der International Sisterhood of Fashion. Merke: Auch versklavte Araberinnen tragen unterm Hidschab die neuesten Designerfummel. Mit dementsprechend zurechtgerücktem Weltbild jetten Carrie & Co. also zurück nach Manhattan.
Die Behörden in Abu Dhabi erwägen, den Kinostart im Emirat zu verbieten. So weit muss man natürlich nicht gehen. Ein Grund, sich den Film anzusehen, ist das noch lange nicht.
JAN KEDVES
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich