Kinoempfehlungen für Berlin: Bilder der Rebellion
Eine Reihe im Filmmuseum Potsdam präsentiert Filme, die mit Smartphone gedreht wurden. „Das Glücksrad“ erzählt von den Geistern der Vergangenheit.

A ngesichts der Kameratechnik moderner Smartphones kann sich heutzutage eigentlich jeder Mensch als Filmregisseur versuchen. Und viele Leute tun es auch – nicht unbedingt im Sinn einer kommerziellen Verwertung, sondern in einer neuen Form dokumentarischen Festhaltens ihres Lebens.
Das gewinnt immer dann an allgemeiner Bedeutung, wenn dabei dramatische Ereignisse im Bild dokumentiert werden: Krieg, Flucht, Proteste gegen autoritäre Regime. Aber auch professionelle Filmemacher:innen nutzen die Technik, etwa, wenn sie mit Berufs- oder Drehverbot belegt werden.
Die fünf Filme umfassende Reihe „Mobilized – Handbasierter Dokumentarfilm“ im Filmmuseum Potsdam nimmt sich einiger Beispiele dieser Art von Film an: In „Teheran without Permission“ (26. 11., 18 Uhr) dokumentiert die iranische Regisseurin Sepideh Farsi beispielsweise die Stimmung im Vorfeld einer Wahl im Jahr 2009; für den Film „Kotlovan“ (27. 11., 19 Uhr) hat Regisseur Andrei Gryazev auf YouTube gefundene Handyvideos zusammengestellt, in denen sich russische Bürger:innen mit ihren Anliegen und Problemen an Präsident Putin richten und dokumentiert damit eine zusehends desillusionierte Gesellschaft.
Kuratiert wurde die Reihe von Milan Bath (Filmuniversität Babelsberg) in Zusammenarbeit mit dem Master-Studiengang Filmkulturerbe der Filmuniversität (Mobilized – Handbasierter Dokumentarfilm, 26. 11.-27. 11., Filmmuseum Potsdam).
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Im Osten von Paris liegt das Stadtviertel Belleville, das heute vor allem Migranten und einige Künstler beherbergt und einst auch ein Schauplatz des Aufstands der Pariser Kommune von 1871 war, die seinerzeit mit der Erschießung von Kommunarden an einer Mauer vom Friedhof Père Lachaise ihr Ende fand.
In ihrem Dokumentarfilm „Belleville, belle et rebelle“ sucht die deutsche Regisseurin Daniela Abke nach diesem spezifisch französischen rebellischen Geist, der geprägt ist von ein wenig Anarchie, vor allem aber von großer Solidarität.
Denn der Geist der Kommunarden ist den Protagonist:innen, die sich im von Joseph Pantaleo geführten Café/Bistro/Restaurant „Le vieux Belleville“ ein Stelldichein geben, immer noch wichtig. Die Musiker:innen, Anarchisten, Fotografen und Maler – sie alle bewahren in ihren Geschichten, Fotos, Liedern und Bildern die Erinnerung an ein Leben, das einmal war, und an unvergängliche Werte.
Das mag rettungslos nostalgisch erscheinen, doch die Gäste, die abends im „Vieux Belleville“ die alten Lieder mitsingen, sind durchweg jung. Auch sie sind auf der Suche nach Gemeinschaft und Solidarität (26. 11., 15.30 Uhr, Bundesplatz-Kino).
Falsche Entscheidungen und die daraus resultierenden Konsequenzen, die Geister der Vergangenheit, die auch in der Gegenwart immer wieder ihr Haupt erheben, und die Frage, wie man sie wohl vertreiben kann – das alles kommt in Ryūsuke Hamaguchis tollem Episodenfilm „Das Glücksrad“ zum Tragen.
Da geht es um ein Model, das (vielleicht) versucht, ihren Ex-Freund zurückzugewinnen, eine Frau, die einen Universitätsprofessor zu verführen sucht, um seinen Ruf zu ruinieren, und um zwei Frauen, die glauben sich wiedergetroffen zu haben, dann aber feststellen, dass sie sich gar nicht kennen.
Literatur, Theater, Audiotapes und fantasievoll ausgemalte mündliche Erzählungen, spielen sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch immer wieder eine Rolle; Geschichten und Worte – auch jene, die bislang noch gar nicht ausgesprochen wurden – besitzen große Macht. Freuen kann man sich dabei auf ausgesprochen unerwartete Wendungen (24.–30. 11., 18 Uhr, Bali Kino).
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!