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Kino und Kampf

■ Hanns Eisler zum 100.: Der NDR huldigt dem großen Komponisten

Jeder sucht sich den Hanns Eisler aus, der ihm am meisten liegt. Der Cineast schwört auf die Filmmusiken aus der Zeit des Exils in den USA. Der aufrechte Sozialist wünscht sich, daß die DDR wieder aus den Ruinen auferstehen möge, der Nostalgiker hört seine Kampf- und Revolutionslieder, und der Literaturwissenschaftler beschäftigt sich mit seinen Brechtliedern oder den ernsten Hölderlingesängen. Jeder nach seiner Couleur.

Kaum aber wird Eisler 100 Jahre alt – genau wie sein ideologisches Leitbild Brecht –, wird versucht, das bislang meist fragmentarisch verstandene Werk in einen kausalen Zusammenhang zu stellen. Zu Recht, rufen die, die alle Kompositionen des Jubilars gleichwertig behandeln. Niemals, entgegnen die, die bestimmte Ausschnitte des Werks höher einschätzen als andere.

Zwischen diesen Standpunkten muß sich entscheiden, wer zum 100. eine Retrospektive des Sozialisten organisiert. In seiner Konzertreihe „das neue werk“ setzt der NDR auf einen Kompromiß: Eisler und sein Werk sollen eingeordnet werden in die Musikgeschichte. Arnold Schönberg, einstmals Eislers geschätzter Lehrer, taucht im Programm ebenso auf wie Luigi Dallapiccola als Zeitgenosse. Georg Katzer und Christian Wolff, zwei Komponisten unserer Zeit, denken sein Werk fort. Und programmatisch steht am Anfang der Reihe ausgerechnet Eislers Streichtrio op. 46 mit dem Untertitel „Präludium und Fuge über B-A-C-H“. Ein bekanntes Motiv, aber sicher nicht zufällig gewählt. Der Bogen ist gespannt. Von Bach bis heute.

Drei Abende widmen sich dem gebürtigen Leipziger, und die thematische Aufteilung folgt der Tradition. Ist heute der klassische Komponist mit der bekannten „Reisesonate“ dran und morgen der Exilant – das „Hollywooder Liederbuch“ mit Miniaturen über Brechttexte steht auf dem Programm –, so folgt am Freitag der politische Mensch mit Musik „gegen den Krieg“. Bleibt nur die Frage: Warum koordiniert sich der NDR nicht mit der Musikhochschule? Die nämlich feiert ihre Eisler-Tage erst eine Woche später.

Eberhard Spohd

Portraitschwerpunkt „Hanns Eisler“, heute, 20 Uhr; morgen, 19.30 Uhr; Freitag, 20 Uhr, Studio 10 des NDR, Oberstraße 120. Informationen unter Tel.: 358 92 23

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