Kino International wird ab Mai saniert: „Das Kino ist ein lebendes Denkmal“
60 Jahre hat das Kino International auf dem Buckel. Ab Mai wird es saniert. Seinen Charakter soll es nicht verlieren – aber die Technik wird besser.
taz: Herr Horch, im Mai, also nach der Berlinale – das Kino International ist ja traditionell Berlinale-Spielstätte –, geht es los mit der Grundsanierung des vor 60 Jahren eröffneten Gebäudes. Zwei Jahre bleibt das Haus deswegen geschlossen. Ist das Kino in so schlechtem Zustand?
Thore Horch: Das Haus ist eigentlich in einem sehr guten Erhaltungszustand. Und es ist eins der wenigen Häuser hier in der Karl-Marx-Allee, das noch für den ursprünglichen Zweck genutzt wird. Man muss sich nur die umstehenden Pavillons anschauen, die entweder eine gänzlich andere Nutzung haben oder zumindest andere Einzelhandelsangebote.
32, Veranstaltungskaufmann; im Kino International seit 2013, angefangen als Azubi, heute zuständig für Premieren und Events.
Wenn der Zustand so gut ist, warum muss dann zwei Jahre an dem Haus gearbeitet werden?
Der gute Zustand betrifft vor allem die Oberflächen, die fast alle im Original erhalten sind, plus einer gewissen Patina. Das Problem ist, dass auch hinter den Oberflächen alles im Originalzustand ist. Und Gebäudetechnik aus den 60er Jahren ist leider nicht so zeitlos wie furniertes Holz. Quasi die gesamten technischen Anlagen sind veraltet und müssen ausgetauscht werden. Das ist unser Hauptanliegen mit der Sanierung.
Gehört das Kino eigentlich alleine der Yorck-Gruppe?
Die Yorck-Gruppe hat relativ schnell nach dem Mauerfall begonnen, das Programm für das Haus zu übernehmen. Zunächst wurde es aber von einer Hotelgruppe von der Treuhand gekauft. Die hatte vor, aus dem Kino ein Kongresszentrum zu machen. Die Stadt wollte aber, dass das Haus als Kino erhalten bleibt. Schließlich kaufte die Yorck-Gruppe Mitte der 1990er das International. Es gehört uns also. Deshalb war es uns immer wichtig, den Erhalt des Kinos zu sichern. Das Geld, das das Kino generierte, fließt schon immer in die Pflege des Gebäudes.
Der Bär ist los: Am Donnerstag startet die 74. Berlinale. Hauptspielstätte für Premieren ist der Berlinale-Palast am Potsdamer Platz; Berlinale-Filme laufen aber auch im Kino International und anderen Lichtspielen in ganz Berlin; insgesamt sind es 29 Spielstätten. Darunter nicht erwartbare Orte: So rollt das silent green den roten Teppich für Produktionen aus, die in den Sektionen Forum und Forum Expanded und Berlinale Shorts laufen. Dafür wird ein temporäres Kino mit großer Leinwand und 250 Plätzen in die Betonhalle des ehemaligen Krematoriums Wedding eingebaut.
Berlinale-Tickets sind immer drei Tage im Voraus für die jeweiligen Vorstellungen nur online erhältlich; sie kosten zwischen 15 und 18 Euro.
Preise Der Berlinale-Wettbewerb geht am Samstag, den 24. Februar, mit der Verleihung unzähliger Preise und der Vergabe der Silbernen wie Goldenen Bären zu Ende. 3sat überträgt live die Eröffnung und Preisverleihung. Am 25. Februar bildet der traditionelle Publikumssonntag den Abschluss der Filmfestspiele. (heg)
Zum Beispiel die Außenfassade, die ja schon saniert wurde?
Ja, und schon vor zehn Jahren, zum 50-jährigen Jubiläum des Kinos, wurden die Toiletten erneuert, nicht nur die Fliesen und die Sanitäranlagen, sondern auch die Rohre dahinter, eine neue Lüftungsanlage kam vorher schon herein. Schrittweise ist also schon immer etwas passiert.
Ursprünglich wurde das Haus ja als Premierenkino der DDR gebaut.
Ja, das war mutmaßlich der Hauptfokus bei der Planung. Das hieß dann: Nur ein Saal für den einen großen Film – das repräsentative Premierenhaus. Eine Form, die es bei neuen Kinobauten so gar nicht mehr gibt. Und viele heutige Einsaalkinos waren ursprünglich Theater oder Tanzlokale und wurden dann zu Kinos umgebaut – so gesehen ist das International berlinweit eine Rarität.
Und so wird es bis heute ja auch genutzt.
Wir haben immer noch viele Premieren und Sonderveranstaltungen, ja. Das Haus hat einen Vorteil: Alle Gäste, die in den Saal passen – derzeit haben wir 550 Plätze, es werden voraussichtlich 520 –, kriegen wir auch ins Foyer hinein. Das geht in ganz vielen anderen Häusern gar nicht. Da ist das Foyer eine Durchgangsfläche. Hier können alle in der Panoramabar entspannt einen Sekt trinken und sich auch noch durch den Raum bewegen, bevor sie in den Kinosaal hineingehen.
Wir steigen gerade die mit dunkelrotem Teppich ausgelegte Treppe zur Panoramabar hinauf. Der kann ja sicher nicht mehr original sein.
Nein, bei dem Publikumsverkehr verschleißen Teppiche irgendwann.
Und was ist hier in der Panoramabar alles original?
Das Parkett ist nicht original 1963. Die Lampen auch nicht, die sind irgendwann in den 1980ern angeschafft worden. Damals hat einer der Kronleuchter 20.000 DDR-Mark gekostet; es sind vier. Es gibt in unseren Unterlagen und in allen öffentlichen Archiven kaum Aufzeichnungen und Fotos, wie die Original-Kronleuchter aus den 1960ern aussahen. Die aus den 1980er Jahren sind ja verspielter, kleinteiliger und filigraner als der Rest des Hauses. Die ursprüngliche Designsprache ist gradliniger und aufgeräumter. Trotzdem käme niemand auf die Idee, die 1963-Leuchter zu rekonstruieren und wieder einzubauen. Die heutigen sind immerhin auch schon rund 40 Jahre alt, also länger im Haus als die ersten, und erzählen auf ihre Weise von der abwechslungsreichen Geschichte.
Wie eng arbeiten Sie mit dem Denkmalschutz zusammen?
Mit dem Landesdenkmalamt Berlin arbeiten wir seit vielen Jahren sehr eng und sehr gut zusammen. Das sage ich nicht nur, weil wir Fördermittel durch den Denkmalstatus bekommen. Unsere Ansprechpartner:innen bei allen Institutionen, die das Haus unterstützen – die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Landesdenkmalamt, der Senat, die Lotto-Stiftung, der Bund –, alle mögen das Haus und wollen, dass es ein lebendes Denkmal bleibt. Daher geht es nicht darum, alles nur 1:1 zu erhalten.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Am Tresen in der Panoramabar werden wir einige kleine Veränderungen vornehmen, sodass das generelle Erscheinungsbild als historisches Ausstattungsstück bleibt, er als funktionaler Tresen aber deutlich zeitgemäßer und effizienter ist. Da sind wir sehr dankbar – auch wenn es manchmal Termine gibt, bei denen es zwei Stunden lang nur um eine Handvoll Steckdosen und deren Positionen geht (lacht).
Wie umfangreich wird die Grundsanierung sein? Zwei Jahre ist eine lange Zeit.
Ja, leider. Unser Wunsch war, nach der Berlinale zu schließen und vor der nächsten Berlinale wieder aufzumachen. Aber das haben uns die Architekten relativ schnell wieder ausgeredet. Die Liste, was alles zu machen ist, wurde immer länger. Die Wände kommen runter. Die gesamte Haustechnik wird ausgewechselt, jedes einzelne Kabel fliegt hier raus. Wir rüsten komplett auf LED-Beleuchtung um. Die Heizungsanlage im Gebäude wird erneuert, wir werden wie zuvor mit Fernwärme heizen. Die Lüftung wird auf einen aktuellen Stand gebracht.
Stichwort Fernwärme: Solarzellen sind kein Thema?
Da sagt der Denkmalschutz Nein. Es kommen keine Solarzellen aufs Dach. Bei besonderen architektonischen Bauten soll – auch wenn man es von unten nicht sieht, aber eben von den Hochhäusern ringsum – es in seiner Anmutung erhalten bleiben. Und tatsächlich würde die Dachkonstruktion Aufbauten von der Statik her auch gar nicht tragen können.
Wie wird das Kino International nach der Sanierung aussehen?
Das Haus wird nachher aussehen wir vorher – aber mit weniger Kratzern. Nicht ohne Kratzer, denn wir schleifen nicht alles komplett weg, das ist bei 60-Jahre-Kratzern gar nicht möglich.
Und nicht wünschenswert.
Genau. Wir bauen nicht um! Wir sanieren. Und wir schließen auch nicht, wir pausieren.
Die Sorge, dass man das Kino danach nicht wieder erkennt, verstehen Sie aber?
Mit Blick auf Berlin und speziell diese Straße, die ja komplett unter Denkmalschutz steht, verstehe ich, dass es diese Sorge gibt, natürlich. Aber wir sind ein Kulturunternehmen und wir lieben dieses Kino ja auch so, wie es ist.
Noch ein Wort zu den einkalkulierten Kosten.
Wir reden von einem Betrag im unteren achtstelligen Bereich.
Mittlerweile stehen wir im Kinosaal. Die Sessel sind blau bezogen, man erkennt, dass einige heller, andere dunkler sind. Warum ist das so?
Die Bestuhlung wurde in den 1990ern ausgetauscht, es ist eigentlich eine Theaterbestuhlung und noch sehr gut erhalten. Wir lassen derzeit die Sessel aufpolstern, die Stofffarbe ist theoretisch die gleiche. Nur die alten sind in den 30 Jahren dunkler geworden, die neuen sind noch viel gleichmäßiger in der Farbe. Der blaue Vorhang ist aus demselben Stoff, der ist also auch rund 30 Jahre alt. Die oberste Reihe hat gerade Ersatzstühle, die Sessel sind bei der Polsterei, sind aber zur Berlinale wieder da.
Und was ist mit dem tollen silbernen Vorhang?
Die Paillettenbahnen sind original. Zur Eröffnung 1963 war der Vorhang komplett paillettig. Die Pailletten haben aber ein Gewicht, das zieht der Schwerkraft folgend nach unten, innerhalb von wenigen Jahren war der Vorhang so beschädigt, dass Ende der 1970er, Anfang der 80er die Streifenlösung umgesetzt wurde. Die Pailettenbahnen wurden auf den silbernen Stoff des durchgehenden Vorhangs aufgenäht.
Der Saal wird also aussehen vor vorher?
Der Saal wird wieder so aussehen wie vorher. Auch die geschwungene Decke, eine sogenannte Rabitzdecke, bleibt natürlich so. (Rabitz ist die Bezeichnung für Drahtputz, der aus einer tragenden Unterkonstruktion und dem Putzmörtel besteht – Anm. d. Red.) Die wurde vor Ort so geschaffen. Die hängt vom Dachstuhl runter. Das ist raumbildend.
Und dadurch ist die Akustik super.
Ja, da wurde der Raum vor 60 Jahren schon nach höchsten Standards geplant. Im Saal wird man den technischen Fortschritt durch die Sanierung tatsächlich bemerken. Wir werden von 5.1. auf 7.1.-Ton aufstocken, also Boxen in den Seitenwänden haben, die mehr Raumatmosphäre schaffen. Da wäre zwar das höchste Level auch Boxen in der Decke, quasi 11.1., aber das geht bei unserer wunderschönen Decke natürlich nicht. Das Bild kommt dann von einem Laserprojektor. Das beste technische Level also. Als Premierenhaus war schon zu DDR-Zeiten immer der Anspruch an das Kino, dass die Projektion auf dem höchsten Niveau ist. Dieses Selbstverständnis wollen wir so beibehalten.
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