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Kindheit unter Adenauer auf ArteDie heiratet ja eh!

"Der Teufelsbraten" (Arte, 21 Uhr) erzählt eine Coming-of-age-Geschichte in der Adenauer-Ära. So sanft und genau wird im Fernsehen selten gearbeitet.

Aua, Ohrfeige! Bild: wdr

Man kann über den Katholizismus ja sagen, was man will - die Imaginationskraft junger Menschen weiß der klerikale Horror wirklich zu weiten. Die kleine Hildegard jedenfalls, sehr begabt, aber vom Elternhaus kaum gefördert, lernt mit religiöser Erbauungsliteratur das Lesen. Erst stockend, dann beseelt trägt sie der frömmelnden Oma Geschichten aus einem alten Buch vor: Da werden vom rechten Weg abgekommene Frauen gesteinigt, zerrissen und verbrannt.

Später soll Hildegard (Anna Fischer) ihre Vorstellungskraft noch zugutekommen. Als 16-Jährige muss sie eine Lehre als Schreibkraft im Stahlwerk beginnen, wo sie den Demütigungen ihrer altjüngferlichen Vorgesetzten (Corinna Harfouch) ausgesetzt wäre - würde sie die Dame nicht mit fantastischen erotischen Geschichten bei Laune halten. Das ist der Widerspruch, den Hermine Huntgeburth in ihrer Entwicklungsgeschichte gekonnt ausleuchtet: Wie ihr Umfeld die Hochbegabte einengt - und wie diese als Abwehr immer mehr ihre sprachlichen und imaginativen Möglichkeiten weitet. Eine höchst riskante Überlebensstrategie, durch die "Hillu" als überempfindsame Spinnerin in der rheinischen Provinz der Adenauer-Ära auf der Strecke zu bleiben droht.

Eine traurige Szene wiederholt sich in diesem Zweiteiler (am 12./13. 3. auch in der ARD): wie der Lehrer zum bevorstehenden Schulwechsel jene Kinder zum Aufstehen auffordert, die eine weiterführende Schule oder ein Gymnasium besuchen sollen. Nur Hildegard muss immer sitzen bleiben. Ihr Zuhause, wo man meteorologische Phänomene mit Weihrauch bekämpft und beim Saufen bis in die Besinnungslosigkeit die Härten der Grubenschichten zu vergessen sucht, weiß nicht so recht, was eine verlängerte Schullaufbahn der Tochter bringen könnte. Die heiratet ja irgendwann.

Als Vorlage für diese Außenseitergeschichte diente der autobiografische Roman "Das verborgene Wort" von Ulla Hahn, in dem die Autorin Ängste und Sehnsüchte in der Nachkriegsära nachzeichnete - ihre Heldin aber eine Art poetische Strategie gegen diese Enge entwickeln ließ. Regisseurin Huntgeburth, die zuvor nicht nur koloniale Esoterik wie "Die weiße Massai" geliefert hat, sondern auch wunderbare Milieugeschichten wie "Das Trio", hat daraus ein ungeschöntes, aber nie sozialvoyeuristisches Provinzmelodram gedreht.

Mit leichter Hand breitet sie in "Der Teufelsbraten" (Drehbuch: Volker Einrauch) die gesellschaftspolitischen Bezüge aus. Die Zeitungen berichten über Gastarbeiter, die in Eisdielen deutschen Mädchen hinterherstellen. Erst sind es die deutschen Vertriebenen, dann die Italiener und schließlich die aus der Zone: Immer wieder fühlt Hildegards Familie durch Fremde die idyllische Tristesse bedroht. Nur ein Eindringling wird freudig begrüßt: Ein Handelsreisender in Sachen Mode (Harald Schmidt als strähnig gescheitelter Hausfrauenflüsterer) bietet nach fortgeschrittenem Himbeerlikörkonsum auch Miederwaren an.

Ein buntes 50er-Jahre-Panoptikum hat Huntgeburth also zusammengestellt und vermeidet doch jeden nostalgischen Ton. Sie hält ihre Coming-of-age-Geschichte klug im Schwebezustand. Selbst der Grubenarbeiter-Vater (Ulrich Noethen), der an Überarbeitung zugrunde geht, hat wache Momente und stellt der Tochter einen Tisch samt Kerze in den Schuppen, damit die ihren geliebten Schiller studieren kann. Wie er zwischen Bildungsangst und Vaterstolz hin- und hergerissen ist!

Mit Aufbegehren ist so einem Elternhaus nicht beizukommen. Deshalb nimmt sich Huntgeburth Zeit, den komplexen Loslösungsprozess in Szene zu setzen; Keine der 180 Minuten ist zu viel. So sanft, so genau, so unverkitscht wird im historien- und folkloreverliebten Fernsehen selten gearbeitet. Wie fremd einem doch die Heimat sein kann.

"Der Teufelsbraten", Fr, Arte, 21 Uhr

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