Kinderschutz: Anmache auf offener Bühne
Grundschüler spielen in einem Theaterstück nach, wie sexueller Missbrauch beginnen kann. Die Kinder sollen lernen, sich zu schützen.
Der Judotrainer rückt auf der Bank ganz nah an Frieda heran. "Du bist ja schon eine richtige kleine Frau", sagt er. Frieda weiß nicht, was sie antworten soll. Eigentlich ist Thomas ein cooler Typ, einer von den Großen. Die Jungs finden ihn alle super. Aber jetzt hat sie ein komisches Gefühl. Die anderen sind schon in die Umkleidekabine gegangen. Was will er denn von ihr? "Hast du schon mal richtig geküsst, mit Zunge und so?" Thomas legt Frieda die Hand auf das schmale Bein. Das Mädchen schreit auf. "Du bist eklig!" Sie rennt weg.
Schnitt. Ein großes Känguru betritt die Bühne. Es trägt eine grüne Weste, "Polizei" steht darauf. Das Plüschtier stellt sich neben Frieda und sagt: "Es war genau die richtige Entscheidung wegzurennen. Nicht wahr, Kinder?" Die Jungen und Mädchen im Zuschauerraum klatschen.
Fünftklässler der Heinrich-Zille-Grundschule in Kreuzberg und der Blumen-Grundschule in Friedrichshain führen in dieser Woche das Theaterstück "(K)ein Kinderspiel" auf, das sie zusammen mit dem Präventionsteam Kinderschutz der Polizei im Bezirk vorbereitet haben. Die beiden Protagonisten Frieda und Fred erleben darin Annährungsversuche von Erwachsenen, die das Känguru anschließend mit Schauspielern und Zuschauern bespricht. Die Kinder sollen so lernen, sich vor Übergriffen selbst zu schützen.
Ein wichtiges Anliegen: In der polizeilichen Kriminalitätsstatistik 2007 wurden 591 Fälle von Kindesmissbrauch erfasst. Zwar ist diese Zahl so niedrig wie seit zehn Jahren nicht. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weit darüber liegen.
Die Polizei hat "(K)ein Kinderspiel" zusammen mit dem Grips-Theater entwickelt. In Reinickendorf und Neukölln wurde es bereits aufgeführt. "Wir wollen das Stück berlinweit zeigen", kündigte Michael Ambros vom Präventionsteam am Montag an.
Frieda und Fred sind am Abend zu Hause. Die Mutter und ihr Freund müssen zur Elternversammlung. Harald, ein entfernter Verwandter, passt auf sie auf. Obwohl die Kinder schon die Zähne geputzt haben, dürfen sie Kekse futtern. Beim Fernsehen legt Harald den Arm um Frieda. Die stößt ihn weg. Also hält sich der Mann an Fred. Irgendwann wird es auch dem zu viel, die Kinder stehen auf. "Das bleibt unser Geheimnis." Harald bettelt fast. "Ich verrate nicht, dass ihr Kekse gegessen habt. Und ihr sagt nicht, dass wir gekuschelt haben." Doch Fred und Frieda wollen sich nicht erpressen lassen. Die Kinder schließen sich in ihrem Schlafzimmer ein.
Schnitt. Das Känguru fragt die Zuschauer: "Warum fühlt es sich komisch an, wenn Harald Fred anfasst?" Die Jungen und Mädchen strecken die Zeigefinger in die Luft. "Weil er nervt." - "Weil er ihn nicht kennt." - "Weil er ihn missbrauchen will."
Missbrauch, ein sperriges Wort aus einem Kindermund. Man merkt, dass die Grundschüler auf das Thema vorbereitet wurden. An drei Tagen sind Sozialpädagogen des Jugendamtes in die Klassen gegangen und haben mit den Jungen und Mädchen darüber gesprochen. "Es ist schwierig, die Kinder zu warnen, ohne ihnen Angst zu machen", sagt eine von ihnen, Elke Markert.
Was stellen sich die Grundschüler unter Missbrauch vor? "Wenn ein Großer ein kleines Kind anfasst und dann in die Mülltonne wirft, damit niemand etwas erfährt", sagt der zehnjährige Özkan. Nikolina erklärt: "Missbrauch ist, wenn man Kinder an den Geschlechtsteilen anfasst, was die nicht mögen."
Am Ende des Stücks singen die Schauspieler: "Kommt euch etwas komisch vor, dann schreit ganz laut im Chor: Nein, nein, nein, ich geh nicht darauf ein." Manche Kinder wirken sehr entschlossen. Andere blicken schüchtern ins Publikum. Sie sind noch sehr klein.
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