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Kinderbücher über GewaltAuch Buttermilch kann eine Waffe sein

Gewalt ist stets präsent. Um ihr zu begegnen, braucht man gute Ideen - und viel Mut, zeigen zwei Kinderbücher.

Denken statt hauen: Cover-Ausschnitt von Bart Moeyaerts "Mut für drei" Bild: Hanser Verlag

Gewalt ist keine Lösung, aber sie ist stets präsent. Man kann gar nicht früh genug mit der Prävention beginnen. Eine gelungene Einstiegslektüre für Kinder im Grundschulalter ist das Sachbilderbuch "Ich mach dich platt!" von Pernilla Stalfelt. Wie schon in ihrem Buch zum Thema Tod "Und was kommt dann?", das 2001 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, nähert sich die Museumspädagogin dem Thema in einer eigenwilligen, aber sehr kindernahen Weise.

Gewalt, wie auch die Liebe, gab es schon immer. Aber was ist Gewalt?, fragt Stalfelt und gibt jede Menge Beispiele: Sie äußert sich als Zank im Sandkasten, im Streit um eine Puppe, in blutrünstigen Computerspielen, als Beleidigungen am Arbeitsplatz. Es gibt Waffen zur Durchsetzung von Gewalt und Schutzmöglichkeiten dagegen. Aber auch Worte können Gewalt ausüben. Die schlimmste Form der Gewalt ist die Folter. Umweltzerstörung ist Gewalt gegen die Erde. Kriege zerstören Häuser, Tiere, Pflanzen, Menschen und ihre Geschichte. Was hilft? Reden und zuhören. Und zwar von und mit dem Herzen.

Wie in einem Notizbuch hat Stalfelt comicartige Bildchen versammelt, die wie von Kinderhand gezeichnet wirken und oft mit Sprechblasen versehen sind. Unter ihre Zeichnungen setzt sie kurze Sätze, die wichtige Informationen und Fragen, aber auch ungewöhnliche und witzige Aspekte zum Thema Gewalt beinhalten. Die Folter etwa illustriert sie mit Jesus am Kreuz, ein bekanntes Beispiel, dessen Gewaltaspekt gern vergessen wird. Durch weitere unkonventionellen Einfälle, zum Beispiel die Waffe "Buttermilch", die man jemanden ins Gesicht schütten kann, oder die Blume, die durch den Bombenangriff ihren Blumentopf verloren hat und weint, provoziert sie. Die Unbefangenheit, mit der Stalfelt die Auswahl für ihre Beispiele trifft, befremdet zum Teil, orientiert sich aber stark an den unverbildeten Weltaneignungsstrategien von Kindern. Zwar verharmlosen ihre Illustrationen das Thema nicht - es fließen Bäche von Blut und Tränen -, jedoch meidet sie zu komplexe Erklärungen. Das Sachbilderbuch ist schließlich kein Ratgeber, sondern Anregung zur Diskussion, Projektarbeit und zum Nachdenken mit Kindern ab 6 Jahren.

Eine Art von Gewalt, die bei Stalfelt fehlt, aber Kinder und Jugendliche besonders betrifft, ist Schulhofmobbing, auch Bullying genannt. Zu diesem Thema hat Bart Moeyaert eine einfache, aber hervorragende kleine Geschichte geschrieben. Wie Stalfelt stellt sich auch Moeyaert ganz auf kindliche Erlebniswelten ein und findet die richtigen Worte, um Alltagssorgen treffsicher in Worte zu fassen. "Das Biest heißt Mona" ist eine von drei Geschichten fürs erste Lesen in seinem neuen Buch "Mut für drei". Mona sieht zwar wie ein ganz normales Mädchen aus, ist aber in Wirklichkeit ein wildes Schulhoftier. Jedenfalls in Martas, Sams und Dos Wirklichkeit. Die drei Erstklässler werden täglich von der Zehnjährigen auf dem Schulhof getreten und geschlagen. Einfach so, ohne jeden Grund. Zu den Lehrern rennen wollen die gepeinigten Kinder nicht. Wie ein Mantra wiederholt die Mutter der Icherzählerin jeden Morgen "Du schlägst nicht zurück, Marta. Sei schlauer als deine Faust!" Als Mona Marta eines Tages dazu zwingt, sich auf den Kopf zu stellen, passiert es: Während Mona brüllend über ihr Opfer lacht, steigt Marta nicht nur das Blut, sondern auch die erlösende Idee in den Kopf. Und die ist wirklich schlauer als jede Faust. Neben der richtigen Idee braucht man Mut, um den alltäglichen Bedrängnissen begegnen zu können.

Mut brauchen auch die Protagonisten der zwei anderen Geschichten in Moeyaerts Erstlesebüchlein. Die witzigen und trotzdem tiefsinnigen Erzählungen des preisgekrönten belgischen Kinderbuchautors werden von Rotraut Susanne Berner exquisit in Szene gesetzt. Ein hochwertiges Erstlesebuch, das die Alltagsprobleme von Kindern ernst nimmt! SARAH WILDEISEN

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