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Kinder- und Jugendbücher für den SommerDas Geheimnis der Perlenkette

Spannende Bücher erscheinen von Josephine Mark, Jakob Wegelius und Alina Bronsky. Sie erzählen von Abenteuern und aufrichtigen Gefühlen.

Aus der Graphic Novel von Josephine Mark: “Trip mit Tropf“ Foto: Kibitz Verlag

Im Juni 2022 erhielt die Graphic Novel „Trip mit Tropf“ von Josephine Mark auf dem Erlanger Comic-Salon den Max-und-Moritz-Preis für den besten Kindercomic. In der temporeichen Erzählung lässt die Leipziger Illustratorin ein sterbenskrankes Kaninchen und einen angeschossenen Wolf gemeinsam die Flucht vor dem brutalen Jäger und Kurt, seinem bissigen Hund, ergreifen.

Wie im großen Kino führt der unfreiwillige Roadtrip das ungleiche Paar durch einsame Landschaften, in ungastliche Rockerkneipen und glanzlose Motels – die Verfolger immer dicht auf den Fersen. In diesem actionreichen Setting entwickelt die Comicautorin eine berührende Geschichte von Freundschaft, Schwäche und Mitgefühl.

Bei ihrer ersten Begegnung in einer Waldkrankenstation hatte das winzige Kaninchen dem Wolf zufällig das Leben gerettet. Nun gilt für das grimmige Raubtier zwangsläufig der „Wolfs­kodex“. Das bedeutet, es muss sich auf gleiche Weise revanchieren. Und tatsächlich kann das Kaninchen jede Menge Hilfe gebrauchen. Mit einem seitenlangen Medikamentenplan und an einen Tropf gefesselt, ist es mit der Situation sichtlich überfordert. So entscheidet der Wolf kurzerhand: „Du kommst mit mir mit, bis wir diesen ganzen Scheiß hier in dich reingepumpt haben.“

Als dann dem Nager nach zahlreichen Infusionen und im Laufe der gemeinsamen Reise die Fellhaare auszufallen beginnen, hält der fürsorgliche Begleiter einsilbig erst eine Mütze, später auch einen Umhang bereit. Unterschiedlicher könnten die beiden Protagonisten nicht sein. Humorvoll versteht Josephine Mark diesen Kontrast zeichnerisch zuzuspitzen. Und so entfaltet „Trip mit Tropf“ im Wechsel mit pointierten Dialogen eine vielschichtige Dynamik, die sowohl Spannung als auch Nachdenklichkeit bereithält.

Gorilladame Sally Jones

Wer erinnert sich nicht an Sally Jones, die Gorilladame und erste Maschinistin an Bord der „Hudson Queen“ aus Jakob Wegelius eindrucksvollem Kriminalroman „Sally Jones. Mord ohne Leiche“? Nun widmet der schwedische Kinderbuchautor und Illustrator seiner außergewöhnlichen Romanfigur ein weiteres packendes Abenteuer. Der neue Band, „Sally Jones und die Schmugglerkönigin“, führt uns zu Beginn der 1920er Jahre von Lissabon nach Schottland, in die Unterwelt Glasgows.

Abbildung Aus: Jakob Wegelius, “Sally Jones und die Schmugglerkönigin“ Foto: Gerstenberg Verlag

Das illustre Personal der verschlungenen Handlung hat Wegelius in ganzseitigen Porträtzeichnungen seinem 528-seitigen Schmöker vorangestellt. Neben alten Freunden wie dem Chief alias Kapitän Koskela, der Sängerin Ana Molina und dem Instrumentenbauer Luigi Fidardo tauchen in dieser Galerie auch einige finstere Gestalten wie Moira Gray, Tommy Tarantello oder die „Razor Queen“ auf.

Sally Jones hat viele Fertigkeiten; sie ist eine sehr gute Beobachterin, eine hervorragende Maschinistin und geschickte Handwerkerin. Als Gorilla kann sie natürlich nicht sprechen, aber sie kann sich schriftlich mitteilen. Diese Besonderheit macht sich der Autor zu eigen und schildert die Ereignisse aus Sally Jones Perspektive als einen lebendigen Bericht, im Rückblick festgehalten auf einer dieses Mal geliehenen Schreibmaschine Marke Imperial.

Die Bergung der gesunkenen „Hudson Queen“ aus dem vorherigen Band liegt schon Jahre zurück. Doch die Reparatur ihres geliebten Dampfschiffs, eines schottischen Clyde Puffers, ist aufwendig und kostspielig. Deshalb verdingen sich Sally Jones und Kapitän Koskela als Tagelöhner im Hafen von Lissabon, auf Jahrmärkten oder auf See. Doch beim Ausbessern ihres Steuerrads entdecken sie durch Zufall eine darin versteckte geheimnisvolle Perlenkette, die den Namen Rose trägt. Wie konnte dieses wertvolle Schmuckstück auf ihr Schiff gekommen sein?

Die Spur führt nach Glasgow

Eine erste Spur führt die Freunde direkt ins nebelige Glasgow, wo sie jedoch bald von einem Schmugglerring in einen Hinterhalt gelockt werden. Während Sally Jones als Geisel in einem Kellerloch gefangen gehalten wird, soll der Chief als Kapitän illegal eine Ladung Whisky nach New York schmuggeln. Allein unter skrupellosen Schurken scheint die Lage für die Gorilladame aussichtslos.

Doch dank ihrer besonnenen Art und großen Beobachtungsgabe gelingt es Sally Jones, allmählich die Strukturen der Schmugglerbande zu durchschauen und auch das Vertrauen ihres grobschlächtigen Bewachers Bernie „The Butcher“ zu gewinnen. Ihre detektivische Suche nach der rechtmäßigen Besitzerin der Perlenkette führt schließlich bis tief in die Vergangenheit und Kindheit führender Ganoven.

Virtuos verknüpft der fesselnde Roman „Sally Jones und die Schmugglerkönigin“ seine weit ausgeworfenen Erzählstränge und nimmt seine LeserInnen dabei mit in eine andere Zeit, auf eine Reise quer durch die Welt.

Ausflügler in Brandenburg

In „Schallplattensommer“, dem neuen Jugendroman von Alina Bronsky, fühlt sich die Gegenwart auf dem kleinen Dorf für Maserati recht überschaubar an. Dort lebt die 17-Jährige mit ihrer Großmutter irgendwo in Brandenburg und in der Uckermark. Gemeinsam betreiben sie seit einigen Jahren ein Ausflugslokal.

Und wenn im Sommer die Städter raus zu ihnen an den See strömen, selbstgemachte Teigtaschen, Limonade und Eis ordern, dann haben beide alle Hände voll zu tun. Besonders seitdem Oma vieles vergisst oder durcheinanderbringt. Doch stoisch versucht die Enkelin diesen fragilen Alltag aufrechtzuerhalten, auch wenn sie den Schulbesuch aus Zeitmangel schon längst gestrichen hat.

Die Bücher

Josephine Mark: „Trip mit Tropf“. Graphic Novel, Kibitz Verlag, Berlin 2022. 192 Seiten, 20 Euro. Ab 12 Jahre

Jakob Wegelius: „Sally Jones und die Schmugglerkönigin“. Aus dem Schwedischen übersetzt von Gabriele Haefs. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2022. 528 Seiten, 22 Euro. Ab 11 Jahre

Alina Bronsky: „Schallplattensommer“. dtv, München 2022. 192 Seiten, 15 Euro. Ab 14 Jahre

Nicht allein der ungewöhnliche Name des Mädchens, auch ihre Verschlossenheit und vehemente Abwehr der unzuverlässigen Mutter lassen erahnen, dass Maserati zuvor ein anderes, aber kein glückliches Leben geführt hat. Nicht immer mag Bronskys Darstellung von Stadt und Land oder Arm und Reich ohne Klischees auskommen. Wenn die Themen Boulevardjournalismus und Kindeswohlgefährdung im Hintergrund der Handlung verknüpft werden, wirkt auch der Plot des Romans ein wenig konstruiert.

Das taff wirkende Mädchen genießt es, in der „Einöde“ früh morgens in den noch einsamen See zu springen oder in den Streuobstwiesen auf Bäume zu klettern. Sie weiß warum: „Ich bin hierhergezogen, um Ruhe zu haben.“ Als aus der Stadt neue Besitzer in die riesige Villa im Dorf einziehen, begegnet Maserati Theo und Caspar zunächst mit geübter Schroffheit. Doch als mit den gleichaltrigen Neuankömmlingen auch noch ein altes Schallplattencover mit dem Foto einer vermeintlichen Doppelgängerin auftaucht, muss sich Maserati überraschend der Vergangenheit und ihren verschlossenen Gefühlen stellen.

Alina Bronskys Roman erzählt von jugendlicher Verletzlichkeit und Selbstbehauptung, aber auch von einem außergewöhnlichen „Schallplattensommer“, in dem Maserati etwas ganz Neues wagt – die Liebe.

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