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Kieler Minister über Abitur-Reform"Die Eltern haben die Wahl"

Schleswig-Holsteins Bildungsminister Klug (FDP) will das Abitur nach 13 Jahren wieder zulassen. Schulen sollen selbst entscheiden, welchen Weg sie anbieten.

Die Gymnasien in Schleswig-Holstein müssen erneut Umdenken. Bild: dpa

taz: Herr Klug, Schleswig-Holstein hat erst 2008 als letztes Bundesland das Abitur am Gymnasium in acht Jahren (G 8) eingeführt. Jetzt erlauben Sie den Schulen die Rückkehr zu neun Jahren (G 9). Warum?

Ekkehard Klug: Wir haben festgestellt, dass G 8 für einen Teil der Schüler mit erheblichen Problemen verbunden ist. Fahrschüler auf dem Land müssen schon um 6 Uhr früh aufstehen, um den Bus zu erreichen, und kommen an langen Tagen erst spät um fünf nach Hause, wo sie noch Hausaufgaben erledigen müssen. Den Anstoß gaben uns die Reaktionen der Eltern. Ein Vater berichtete mir, er habe seiner Tochter verboten, nach 21 Uhr Hausaufgaben zu erledigen. Das darf nicht Alltag sein.

Wie ernst ist die Sache?

Wir werden den Schulen künftig freistellen, ob sie zu G 9 zurückkehren oder bei G 8 bleiben. So haben Eltern die Wahl. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Es ist ein gemeinsames Projekt von Landesregierung und Regierungsfraktionen.

Wie ist das Echo der Schulen?

Es gibt viele Nachfragen, wie es praktisch laufen soll. Wir nehmen uns Zeit, das in Ruhe mit allen Betroffenen zu besprechen. Die Neuerung greift erst 2011.

Überwiegt die Freude oder die Ablehnung?

Vor allem Eltern wünschen, dass es ganz schnell geht, damit die Neuerung schon für die nächsten 5. Klassen gilt. Das wird nicht gehen. Aber wir prüfen, ob wir sie in 2011 rückwirkend ins G 9 überführen können.

Schulleiter klagen, G 8 habe viel Arbeit gemacht.

Die ist ja nicht verloren. An mehrzügigen Gymnasien wird es zu Mischformen kommen. Es kann parallel G 8 und G 9 geben. Das haben Modellschulen erfolgreich praktiziert.

Sie gehen einen Sonderweg. Gibt es Reaktionen der Kultusministerkollegen?

Bisher nicht. Mal sehen, was man am Rande der nächsten KMK-Tagung hört. Auch Hessen hat vor einem Jahr entschieden, den kooperativen Gesamtschulen wieder G 9 zu ermöglichen.

Fürchten Sie Nachteile für die Schulabgänger, die G 9 wählen?

Nein.

In Niedersachsen zwingt die CDU-FDP-Koalition Gesamtschulen zum schnellen Abitur. Hat Ihre Partei eine Linie?

In einem föderalen System geht man auch mal voneinander abweichende Wege.

Warum kommt man erst jetzt auf so flexible Lösungen?

Vielleicht machen wir einen Anfang, der Nachahmer findet.

Für Eltern, die das Abitur nach 13 Jahren bevorzugen, gibt es jetzt bereits eine Alternative: die Gemeinschaftsschule. Denen graben Sie den Zulauf ab.

Nein. Die haben ja überwiegend noch gar keine Oberstufen. Es ist keine Alternative, die heute konkret besteht. Eltern melden Kinder mit der entsprechenden Empfehlung überwiegend am Gymnasium an.

Eine Gemeinschaftsschule bietet den Weg zum Abitur?

Die Voraussetzung für den Wechsel in eine gymnasiale Oberstufe soll dort natürlich geschaffen werden. Aber ob alle diese Schulen Oberstufen bekommen, ist eine Frage, die sich erst in Zukunft stellen wird.

Wird das SPD-Kind Gemeinschaftsschule das ungeliebte Stiefkind von Schwarz-Gelb?

Nein. Es gibt keine Bevorzugung und keine Vernachlässigung.

Laut Koalitionsvertrag dürfen Gemeinschaftsschulen künftig über die "Form der Differenzierung" selbst entscheiden. Heißt das: Weg vom gemeinsamen Lernen, hin zu getrennten Klassen?

Nein. Die Schulen erhalten größere Spielräume. Ob Binnendifferenzierung generell der richtige Weg ist, kann man lange diskutieren. Das soll die Schule nach ihren Erfahrungen entscheiden.

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3 Kommentare

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  • P
    Piggeldy

    Wenigstens ein Lichtblick...

    Mir schwant ( oder schavant ) dass es in Baden Württemberg beim Alten bleibt.

    Auch ich kenne Gymnasiasten , die bis 10°° , 11°°Uhr nachts ackern, während der Schulbus am morgen um 6.45 Uhr losfährt.

     

    Solange sich nichts ändert werden wir unsere Kinder nicht ins Gymnasium schicken.

     

    Besser noch als alle Flickschusterei wäre eine wohnortnahe Gemeinschaftsschule für alle bis zur 10 Klasse, als Ganztagsschule.

    Das Leben eines Kindes sollte nicht aus seelenlosem Einpauken von Wissen bestehen, so wie es jetzt praktiziert wird.

     

    Leider ist man im Kultusministerium in Ba-Wü besonders beratungsresistent. Sitzen - sechs !

  • O
    Obilt

    Gott sei Dank! Ich fürchtete schon, es gäbe keine vernunftbegabten Menschen mehr in Kultusministerien. Ich hoffe sehr, dass andere Bundesländer diesen Weg auch gehen. Ich erlebe den Stress der Kinder durch G8 täglich und kann nicht verstehen, weshalb man das auf Kosten unserer Kinder durchdrückt. Der erhoffte Gewinn _kann_ die vielen Verluste der verkürzten und durch Stress vergifteten Kindheit und Jugend gar nicht ausgleichen.

  • N
    noevil

    Mal endlich ein Lichtblick. Hoffentlich macht dies Beispiel erfolgreich bald und bundesweit Schule. Das führt - hoffentlich - zu einer demokratischen Abstimmung, die von den Betroffenen direkt herbei geführt werden kann.

     

    Es bleibt nur zu wünschen, dass sich nicht manche Eltern - wie bei uns - unter Druck setzen lassen von denen, bei denen der Lernerfolg ihrer Kinder nur auf kürzest mögliche Lernzeit zu Lasten von Nachhaltigkeit und Verstehen - also auf Kopfarbeit - abzielt und die ihren Kindern kaum Raum für Kindheit und Jugend, für Vertrauen, Gespräche und Entwicklung geben. Die erschreckenden Spitzen dabei entstehender Leidens- "Eisberge" kommen vereinzelt zutage.

     

    Jaja, da prallen wieder Dogmen aufeinander - und die Kinder müssen immer wieder den Ehrgeiz der Eltern ausbaden.

     

    Den Eltern ist nur zu wünschen, dass sie ihre nicht immer realistischen Vorstellungen nicht mehr auf dem Rücken ihrer Kinder gegen die andersdenkender Eltern und Kinder ausspielen und in Deutschland nebeneinander die jeweils passenden Schulformen akzeptiert und respektiert werden - anstatt alte Hüte weiterhin mit einem unzutreffenden Glorienschein zu ummanteln.

     

    Schön wär's...