Press-Schlag: Kicker lieben Torjäger
■ Sean Dundee wurde von seinen Kollegen zum „Profi '96“ ernannt
Was ist eigentlich ein vorbildlicher Fußballprofi? Eine Frage, die bisher vorzugsweise von Sportjournalisten und Fernsehzuschauern beantwortet wurde. Die einen küren meist Matthias Sammer zu ihrem Helden, bei den anderen gewinnt immer ein gewisser „TED“. Das Fußballmagazin Hattrick kam auf die naheliegende Idee, einfach diejenigen zu fragen, die es am besten wissen müssen: die Fußballprofis selbst. In Zusammenarbeit mit der „Vereinigung der Vertragsfußballer“ (VdV) wurde die Umfrage nach dem „Profi '96“ organisiert, 329 Mitglieder der „Spielergewerkschaft“ gaben ihre Stimme ab.
In der heute erschienenen Hattrick-Ausgabe werden die Preisträger vorgestellt, und das Ergebnis zeigt, daß die Fußballer eine recht simple Vorstellung von den Qualitäten haben, die der vorbildliche Profi besitzen sollte. Kriterium war eigentlich auch „Kollegialität“ sowie „Auftreten in der Öffentlichkeit“, doch es zeigte sich, daß bei den Aktiven, anders als bei den Medienvertretern, nicht jene Typen das größte Ansehen genießen, die sich aufopfern, durchbeißen, niemals aufgeben, die Wunden auf dem Platz nähen lassen und notfalls auf dem Zahnfleisch ihrem Job nachgehen, wie Matthias Sammer, Dieter Eilts, Thomas Helmer oder neuerdings auch Fredi Bobic. Nein: Klasse ist, wenn einer viele Tore schießt.
Die Spitze der „Profi '96“- Rangfolge spiegelt ziemlich getreulich die Torschützenliste der letzten Wochen wieder. Nummer eins: Sean Dundee vom Karlsruher SC. Es folgen die beiden Goalgetter aus dem magischen Jammertal, Giovane Elber und Fredi Bobic, die übrigens, wie gerüchtweise verlautet, seit heute morgen, sieben Uhr, um den Schreibtisch des zuständigen Redakteurs herumstehen und vehement dagegen protestieren, daß nicht sie gewonnen haben.
Doch der Sieg des Möchtegern-Deutschen Dundee war relativ deutlich. 47 Stimmen für den Südafrikaner, der morgen 24 Jahre alt wird, 39 für Elber, 19 für Bobic. Dieser muß sich Platz drei zu allem Überfluß mit dem ersten Nicht-Torjäger teilen, Thomas Häßler, der seine 19 Stimmen vermutlich bekam, weil er so schrecklich nett ist. Erst auf den folgenden Plätzen liegen die verdienten Mannschaftsspieler Eilts, Cesar und Helmer, gefolgt von Mehmet Scholl, für den genau jene elf Kollegen stimmten, die über seine Witze lachen können.
Dann wird es langsam mysteriös, denn gleichauf belegen Rang 12: Matthias Sammer und – Lothar Matthäus. Man stelle sich vor: acht Gewerkschaftsmitglieder, die für Matthäus gestimmt haben. Möglicherweise könnte ja hier die Zukunft des Mannes liegen, der den Sprung zur WM 1998 nun vielleicht doch nicht mehr schaffen wird: Leitwolf in der Fußballergewerkschaft, die ja Probleme hat, einen neuen Boß zu finden. Mit Maradona die Fußballwelt aus den Angeln heben und dann Berti Vogts entlassen! Egidius Braun ein Kapitalistenschwein schimpfen! Klinsmann als Kassierer einstellen! Himmlisch! Was eine kleine Umfrage alles bewirken kann!
Apropos Jürgen Klinsmann. Der kam bloß auf Rang 10, gemeinsam mit Stefan Effenberg (je 9 Stimmen). Zur großen Zahl der Profis, die lediglich eine einzige Stimme erhielten, mutmaßlich ihre eigene, gehören Leute wie Uli Stein, Bodo Illgner, Sergej Kirjakow, Christian Ziege und der große Verlierer der Wahl: Andreas Möller. Der könnte wahrscheinlich hundert Tore schießen und würde trotzdem auf seiner einen kümmerlichen Stimme sitzenbleiben. Matti
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