Kevin-Prozess: Geldbuße für den Aktenvormund
Das Verfahren gegen Kevins Amtsvormund wird eingestellt. Zeitgleich beschließt das Bundeskabinett, dass zukünftig maximal 50 Mündel pro Sozialarbeiter zulässig sind.
Der Prozess gegen den Amtsvormund des in staatlicher Obhut verstorbenen Kleinkindes Kevin ist eingestellt. Bert K., der sich vor dem Landgericht Bremen wegen fahrlässiger Tötung zu verantworten hatte, muss im Gegenzug eine Geldbuße von 5.000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen. Kevin war im Oktober 2006 tot im Kühlschrank seines Ziehvaters aufgefunden worden. Sein Name ist seither Sinnbild für Kindesmisshandlung und das Versagen des Sozialstaats.
Es kein Freispruch, da sind sich alle einig, nicht einmal einer zweiter Klasse. Eher ein Eingeständnis, dass sich der Verantwortung in diesem Fall kaum mit den Mitteln des Strafrechts beikommen lässt. Es fragt nach Momenten individueller Schuld, wo in Bremen allenthalben vom Versagen "des Systems", "der Politik" die Rede ist. Bis hinauf zum Bürgermeister erfuhren Zeit seines kurzen Lebens viele in Bremen von Kevin. Der Verteidiger nennt es ein "Verantwortungsnetz". Doch kannten sie alle stets nur Teile der Wirklichkeit. Am Ende wurde lediglich dem heute fast 68-jährigen Amtsvormund der Prozess gemacht. Der Verteidiger von Bert K. nennt das ein "Legitimationsdefizit". Der zuständige "Case-Manager" Kevins gilt als dauerhaft verhandlungsunfähig. Gegen andere wurde keine Anklage erhoben. Abgesehen von Kevins Ziehvater, der schon 2008 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde.
Zwar ist die Staatsanwaltschaft weiter der Überzeugung, dass K. seiner Aufgabe "nicht gerecht" wurde, er "aufmerksamer" den "Fall Kevin" hätte begleiten müssen. Und eher dafür sorgen, dass das Kind seinem Ziehvater entzogen wird. Als er das veranlasste, war das Kind lange tot. Auch das Gericht geht weiter davon aus, dass Bert K. die "Gefährdungslage" Kevins bekannt war. Die Verteidigung wollte einen Freispruch. K. wollte, dass der Prozess ein Ende hat. Am Ende einigte man sich derauf, das Verfahren einzustellen. Zu schwer wiegt die "systematische Überlastung" K.s.
Kevin war eines von rund 250 Mündeln, für die der von Kollegen stets als "zuverlässig", als "geradlinig" beschriebene Sozialarbeiter zu sorgen hatte. Bis zu 700 Kinder und Jugendliche waren seinerzeit zu betreuen - von weniger als drei Amtsvormündern. Eine Studie spricht von "fast durchweg schweren Fällen". Doch persönlicher Kontakt, auch das wurde in dem Prozess klar, war von der Politik nicht vorgesehen. Auf zahllose Überlastanzeigen aus der Bremer Sozialbehörde hat sie nicht reagiert. Und der Amts- war ein reiner Aktenvormund. Noch immer betreut ein solcher in Bremen de facto 100 bis 140 Mündel, die offizielle Statistik spricht von 80 bis 90. ExpertInnen sind sich seit zehn Jahren einig, dass maximal 50 Amtsvormundschaften pro Person "angemessen" sind. Diese Zahl wird jetzt auch amtlich: Sie ist in einem Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) festgeschrieben, der just gestern vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wurde. Das Gesetz ist eine Reaktion auf Fälle von Kindesmisshandlung wie diesem. Mit ihm werden Vormünder verpflichtet, in der Regel einmal im Monat alle Mündel aufzusuchen, in deren üblicher Umgebung. Außerdem ist vorgesehen, mangelnden persönlichen Kontakt als Grund für die Entlassung eines Betreuers ausdrücklich zu benennen. Auch die Aufsichtspflichten der Gerichte werden ausgeweitet.
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