Kevin Kühnert kandidiert für Bundestag: Das Rennen beginnt
Noch-Juso-Chef Kevin Kühnert will für den Bundestag kandidieren – und einen Berliner Wahlkreis gewinnen, in dem die SPD zuletzt keine Chance hatte.
Es geht los: Nach Wochen und Monaten voller Vermutungen und naheliegender, aber unbestätigter Pläne hat nun der bisherige Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert angekündigt, dass er 2021 im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg für die SPD bei der Bundestagswahl antreten will. In den nächsten Tagen dürfte eine weitere Ansage dieser Art kommen, vom Noch-Regierenden Bürgermeister Michael Müller.
Der ist zwar eigentlich auch in Tempelhof-Schöneberg zu Hause, will aber, wie bislang zwar nicht von ihm, aber von auch sonst gut informierten Parteifreunden zu hören ist, im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf kandidieren (die taz berichtete). Offen wäre dann nur noch das Kandidatur-Outing von Bundesministerin Franziska Giffey als SPD-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl ebenfalls im Herbst 2021.
Er habe den Kreisvorstand über seine Bewerbung informiert, ventilierte Kühnert am Montag via Tagesspiegel. Den Bundesvorsitz der Jusos will er im November abgeben – dann stehen Neuwahlen bei der SPD-Nachwuchsorganisation an. Kühnert hätte dann mehr Zeit für seine Wahlkreiskandidatur, auch wenn er sein weiteres Amt des Vize-SPD-Bundeschefs behielte.
Bei der jüngsten Bundestagswahl 2017 hatte die SPD in Tempelhof-Schöneberg keine Chance: Jan-Marco Luczak von der CDU lag damals fast 7 Prozentpunkte vor Sozialdemokratin Mechthild Rawert. Nicht weit hinter ihr landete die grüne Exministerin Renate Künast.
Gilt als Kampfansage
Rawert musste zwar danach anders als Künast den Bundestag verlassen, rückte aber jüngst über die Landesliste wieder ins Parlament, nachdem ihre SPD-Parteifreundin Eva Högl zur Wehrbeauftragten avanciert war und ihr Mandat aufgab. Über 2021 hinaus wolle sie nicht weitermachen, sagte Mechthild Rawert am Dienstag der taz – „das habe ich schon vor 2017 gesagt.“ Der Kreisverband entscheidet Ende September, wer 2021 kandidiert.
Innerhalb und außerhalb der Partei gilt es teilweise als Kampfansage Kühnerts an Müller, dass der 31-Jährige im Heimatbezirk eines 55-jährigen Regierungschefs antreten will, der mutmaßlich ebenfalls im Bundestag ein neues Betätigungsfeld sucht. Er müsse sich zwar gar nichts mehr beweisen, sagte Müller vor den Ferien im taz-Interview – „aber ich habe weiter Lust, politisch etwas zu bewirken und aktiv zu sein“.
Diese vermeintliche Kampfansage könnte allerdings auch bloß effektives und öffentlichkeitswirksames Nutzen von Ressourcen sein: Mit Kühnert ließe sich die Geschichte des jungen Außenseiters erzählen, der es in seinem Heimatbezirk schaffen will. Müller hingegen hat ebenso gute Bindungen nach Charlottenburg-Wilmersdorf, wo sein Senatskanzleichef Christian Gaebler Vorsitzender und sein enger Berater Robert Drewnicki ebenfalls Mitglied im geschäftsführenden Kreisvorstand ist.
Zur Kampfansage würde Kühnerts Kandidatur erst, wenn er sie mit dem Anspruch auf die Spitzenkandidatur der Berliner SPD für die Bundestagswahl verbinden würde. Offiziell hieße das: den ersten Platz auf der Landesliste einzufordern, über die Bewerber noch in den Bundestag rücken können, falls es mit dem Wahlkreissieg nicht klappt. Da kann ein ausscheidender langjähriger Regierungs- und Parteichef nicht hinter Kühnert auf der Liste stehen, auch wenn der einer von fünf Vizechefs seiner Bundespartei ist.
Kühnert hat es allerdings auch gar nicht nötig, seinem Landesverband eine Kampfentscheidung um Platz 1 aufzunötigen. Mit dem Platz 3 auf der Landesliste – auf Platz 2 stünde eine Frau – hätte er auch noch gute Chancen auf einen Parlamentseinzug, weil die SPD kaum wieder wie 2017 drei Wahlkreise gewinnen wird. Weniger vielleicht, weil die Umfragewerte dazu seit vielen Monaten zu schwach sind, sondern mehr, weil niemand von den damals erfolgreichen und bekannten drei SPDlern – Eva Högl in Mitte, Swen Schulz in Spandau und Fritz Felgentreu – im kommenden Herbst erneut für den Bundestag antreten wird.
Aber Kühnert will seinen Wahlkreis ja trotz der schlechten Ausgangslage gewinnen: Dem Tagesspiegel sagte er: „Ich trete nicht an, um Zweiter zu werden.“
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