Kenia: Wahlkampf in Nairobi wird härter
Ein halbes Jahr vor den Wahlen wollen sich Abgeordnete schnell sanieren. Die Bevölkerung demonstriert. Oppositionelle werden verhaftet, die Polizei setzt Tränengas und Knüppel ein.
Für Kenias 222 Abgeordnete ist es die vielleicht letzte Chance, sehr viel Geld einzustreichen - und um diese Gelegenheit wird seit einer Woche mit ungewohnt harten Bandagen gekämpft. Sechs Millionen Kenianische Schillinge steuerfreie Abfindung wollen Kenias Parlamentarier sich ein halbes Jahr vor den allgemeinen Wahlen gönnen, das sind umgerechnet 64.000 Euro pro Kopf. "Eine Schande ist das in einem Land, in dem die meisten Menschen in Armut leben", wettert Miriam Kahiga von amnesty international in Kenia. Immerhin bekommt jeder Abgeordnete ohnehin schon pro Monat eine halbe Million Schillinge plus Zulagen - in Kenia ein Traumgehalt.
Mehr als 92 Prozent der Kenianer, so eine aktuelle Umfrage, sind gegen die Sonderzahlung. Doch die meisten Politiker scheinen entschlossen, das umstrittene Millionenpaket dennoch durch das Parlament zu bringen. Manche der Abgeordneten haben Angst, im Dezember nicht wieder gewählt zu werden, die meisten brauchen dringend Cash, um ihren Wahlkampf zu finanzieren. Hunderte Kenianern, die die Selbstbedienungsmentalität ihrer Volksvertreter normalerweise klaglos akzeptieren, marschierten vergangene Woche in Richtung Parlament. Weit kamen sie nicht, die Polizei griff mit ungebremster Brutalität ein. "Die Polizei hat Tränengas eingesetzt, Demonstranten verprügelt, sie die Treppen heruntergeworfen und dann die Organisatoren festgenommen", so Kahiga. Die Menschenrechtlerin sieht darin eine schwerwiegende Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Eine der misshandelten Aktivistinnen wurde kurze Zeit später von Kenias Gesundheitsministerin Charity Ngilu höchstpersönlich befreit (siehe Seite 2). Auf Anweisung von ganz oben, so heißt es, versuchte die Polizei später am Abend, einen anderen Aktivisten in ein sichereres Gefängnis zu verlegen. Doch als die Beamten in der Stadt mit Tempo 100 auf der falschen Straßenseite zu ihrem Ziel unterwegs waren, kollidierten sie mit einem Minibus. Der Demonstrant musste 24 Stunden im Krankenhaus versorgt werden, bevor die Polizei ihn wieder einsperrte.
Zwar hat Kenias oberster Gerichtshof inzwischen alle Festnahmen als unrechtmäßig verurteilt. Doch noch während die Demonstranten freigelassen wurden, setzte die Polizei bereits bei einem neuen Protest vor dem Parlament Tränengas ein. Miriam Kahiga glaubt nicht, dass die Staatsmacht die Gewalt bis zur Wahl noch zügeln wird. "Die Regierung hat Panik, dass ihre Abgeordneten nicht wiedergewählt werden." Präsident Mwai Kibaki habe zudem nicht mehr alle Zügel in der Hand. "Die Polizei und Sicherheitsminister John Michuki haben jeden Kontakt zur Realität verloren."
In Kenia lassen solche Vorwürfe alte Gespenster wieder auferstehen. In den späten 80er- und 90er-Jahren, als der Autokrat Daniel arap Moi mit aller Kraft an der Macht festhielt, war die Geheimpolizei für ihre Folterungen und Auftragsmorde berüchtigt. Der Oppositionelle Kibaki war 2002 gewählt worden, um diesem Schrecken ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!