piwik no script img

Kellerkinder unter sich

■ Werder besiegt Uerdingen1:0 - aus Angst, findet unser Gastautor Dieter Mützelburg

Mario Basler sagte in der 44. Minute am kalten Freitag abend im Weserstadion zu Rodolfe Esteban Cardoso, der sich den Ball gerade zum Freistoß hinlegte: „Laß mich!“ Cardoso zog ab, Basler schoß. Oben rechts wurde der Ball vom Tornetz gestoppt.

Das, kurzgefaßt, war Werder gegen KFC Uerdingen, ein Bundesligaspiel am Tabellenende.

Vor diesem Freistoß hatte der Schiedsrichter Fröhlich – bekannt dafür, Fouls seltener zu bestrafen als lautstarkes Gemeckere einzelner Spieler – gehört, daß Mejer, Uerdingens holländischer Spieler, irgendetwas Unflätiges gerufen hatte. Rot-Gelbe Karte, Uerdingen spielte mit zehn Spielern weiter. Spielentscheidend schien das nicht gewesen zu sein. Vor wie nach dem Platzverweis spielten die Krefelder zügig bis zum Strafraum, überliefen den einen (Baiano) oder anderen (Wolter) Bremer Abwehrspieler und wußten dann aber nicht so ganz genau, wie das Tor zu treffen ist.

Auf der anderen Seite sah es ähnlich aus. Einmal Bode, zweimal Hobsch. Dreimal schauten Bremer Stürmer mit dem Ball am Fuß Torwart Dreher in die Augen, dreimal wehrte Dreher ab. Und einmal eben nicht. Wie gesagt, das war Basler.

Also nichts Neues bei Werder 1996? Ein Ossi-Trainer, der nach dem Spiel daher redet, wie routinierte Westtrainer: „Uns fehlt die Praxis.“ Das ist neu. Ein Cardoso, der selber Freistöße und Ecken schießen will und nicht alles Basler überläßt. Das ist neu (aber brachte nichts, siehe oben, Basler...). Ein Labaddia, der im Strafraum wühlt, den Ball erkämpft, gleich wieviel gegnerische Hände an seinem Trikot zerren. Der ist neu (aber kam zu keinem Torschuß).

Werder 96, das war am Freitag ein selbstbewußter Basler und neun, läßt man den Torwart Reck mal beiseite, Feldspieler ohne Selbstvertrauen. Ein Nationalspieler-Mittelfeld verspricht schnelle, überraschende Spielsituationen, präzise Zuspiele auf engem Raum, gelungene Tricks, die den Gegenspieler ganz alt aussehen ließen. Leider war von Bode, Cardoso, Eilts und Basler davon so gut wie nichts zu sehen.

Werder 96 ist noch wie Werder 95, mit neuer Taktik, aber alter Angst. Der Angst, daß ein Zweikampf auch verloren werden kann. Der Angst, daß ein Paß den Gegenspieler erreicht. Der Angst, daß der Gegner gleich doch den Ausgleich schießt. Da spielt man doch lieber vorsichtig, paßt zum nächsten Mitspieler, meidet die Räume, auf denen sich zu viele Uerdinger herumtreiben. Werder 96 fehlt Selbstvertrauen.

Trainer Dörner setzt auf Zeitgewinn. Was hat er für eine andere Wahl. Selbstvertrauen ist nicht trainierbar. Wenn man nicht gerade so gebacken ist wie Mario Basler („Ich selbst bin der Größte“), dann hilft nur der Mannschaftserfolg. Und der kommt nur, wenn man's versucht. Wie also wäre es, wenn nicht Basler, sondern wirklich Cardoso die „big points“, die erfolgversprechenden Freistöße tritt? Wie wäre es, wenn Heiko Scholz, nicht nur so lange mit dem Ball laufen darf, bis Basler zum Zuspiel freisteht, sondern bis in den Strafraum? Doppelpaß mit Labbadia, Tor! Wäre doch was, oder? Und vielleicht mal ohne Baiano, einfach um Nerven von Publikum und Mitspielern zu schonen?

Leider ist das alles nicht zu erwarten. Dörner ist ein konservativer Trainer : „Ich halte die nächsten Spiele an dieser Formation fest“, erklärte er der Presse. Also werden wir am Dienstag gegen den HSV hoffen, daß tatsächlich Spielpraxis Selbstvertrauen schafft, daß Mario B. sich wieder einen Freistoß schnappt und daß dann der Abwehrkampf schon fast vorbei ist. Fest überzeugt davon, daß Werder besser spielen kann , der Autor

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen