: Keine öffentliche Fahndung
■ Innensenator Wrocklage will selbst einen neuen Polizeipräsidenten suchen
Überrascht hat es niemanden: Die Stelle des Hamburger Polizeipräsidenten wird nicht öffentlich ausgeschrieben. Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) will statt dessen, so erklärte er gestern auf der Landespressekonferenz, nunmehr „zügig, aber nicht hektisch eine Personalentscheidung herbeiführen“.
Zuvor hatte der Senat auf Antrag von Wrocklage Polizeipräsident Arved Semerak (CDU) mit Wirkung zum 1. August formell in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Semerak hatte vorige Woche nach nur zehnmonatiger Amtszeit wegen heftiger Kritik an seinem Führungsstil darum gebeten, den Job nicht länger machen zu müssen.
Wrocklage gab sich gestern zerknirscht. Die Personalentscheidung im Juli vorigen Jahres, Semerak zum Polizeipräsidenten zu machen, sei ein „Fehler“ gewesen: „Ich bedauere das sehr und trage dafür die Verantwortung.“ Was niemand bestreitet, schließlich ist er der Senator.
Die trägt er nun auch bei der bereits eingeleiteten Fahndung nach einer „geeigneten Persönlichkeit“, die sich breitschlagen läßt, auf dem Schleudersitz des Hamburger Polizeichefs Platz zu nehmen. Er diskutiere „mit einer Vielzahl von Beratern alternative Besetzungsmethoden“, orakelte Wrocklage. Zur Zeit treibt er allen Sparzwängen zum Trotz die Telefonrechnung der Innenbehörde in schwindelerregende Höhen, auch die Einschaltung eines „headhunters“ soll der Senator dem Vernehmen nach erwägen.
Nach Ansicht der hiesigen Polizei-Gewerkschaften und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter würde hingegen ein Ortsgespräch völlig ausreichen. Ihr Favorit ist der Chef des Landeskriminalamtes (LKA), Wolfgang Sielaff, der als Semeraks Stellvertreter kommissarisch mit dem Posten betraut wurde. Der 53jährige mit dem Schnauzbart, der in den vergangenen Tagen auch vom innenpolitischen Sprecher der Hamburger SPD, Holger Christier, als „beste aller Lösungen“ angepriesen wurde, hatte sich gestern selbst nachdrücklich ins Gespräch gebracht (taz berichtete).
Auch die Statt Partei findet Sielaff gut. „Warum denn in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nahe“, flötete gestern der stattliche Gruppenchef Achim Reichert. Der LKA-Chef habe seine Befähigung bereits unter Beweis gestellt, kenne den Apparat und genieße allenthalben hohes Ansehen.
Allerdings nicht bei der GAL. Deren innenpolitischer Sprecher und „Kritische Polizist“ Manfred Mahr forderte gestern, einen Nachfolger für Semerak mittels öffentlicher Ausschreibung zu suchen. Nur weil „Herr Semerak nicht in der Lage war, das Amt auszufüllen“ bedeute das nicht, daß das Prinzip der öffentlichen Ausschreibung falsch sei. Gerade wegen des Hamburger Polizeiskandals müsse bei der Wiederbesetzung des Chefpostens auf „höchste Transparenz“ geachtet werden.
Semerak selbst darf derweil seinen Vorruhestand genießen. Als politischer Beamter erhält er noch drei Monate lang seine vollen Bezüge von rund 13.000 Mark monatlich. Anschließend bekommt er knapp fünf Jahre lang 75 Prozent davon. Mit Erreichen des Rentenalters im Jahr 2001 trägt Hamburg nur noch gut die Hälfte der Summe, den Rest übernehmen der Bund und das Land Thüringen, in dem Semerak ebenfalls kurze Zeit Polizeipräsident war. Sven-Michael Veit
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