■ Kommentar: Keine Wahl Trotz Korruption wird Russland weiter Kredite erhalten
Die Liga der Staatschefs unter Korruptionsverdacht hat ein neues Mitglied, und es ist auch noch der schwerste Brummer in der Bande: Die Familie Jelzin soll etwa 15 Milliarden Dollar über Bankkonten in New York gewaschen haben. Ermittelt wird unter anderem gegen die Tochter des Präsidenten des größten Landes der Erde sowie hohe russische Politiker.
Da stöhnt der internationale Kreditvermittler. Immerhin sind Russland und seine ausländischen Gläubiger gerade in Umschuldungsverhandlungen, und im US-Kongress wollen einige Abgeordnete die Affäre nutzen, um anstehende Zahlungen des Währungsfonds zu stoppen. Zusammen mit russischen Staatsanwälten fordern sie die Aufklärung der Vorwürfe. Dabei kann sich niemand erinnern, dass jemals eine Geldschieberei mit solch mächtigen Hintermännern in Moskau aufgeklärt wurde – es sei denn, um einen Widersacher des Kremls abzuservieren. Wenn also etwa Jelzin-Tochter Tatjana Djatschenko wirklich irgendetwas mit Geldwäsche zu tun haben sollte, wird sich sicher nichts Konkretes ergeben.
Zudem bräuchte der Währungsfonds eigentlich gar keinen neuen Beweise, um die Überweisungen an Russland zu stoppen. Dazu gab es in der Vergangenheit genug Gründe – von der überraschenden Rubelabwertung samt Tilgungsverweigerung im vergangenen Jahr bis zu den Lügen über die Zentralbank-Reserven vor einigen Monaten. Alle wissen: Nach herkömmlichen Regeln ist Russland bankrott – aber diese Regeln gelten für das Reich Jelzins eben nicht, weil alle den Zusammenbruch des riesigen Rohstofflieferanten mit seiner Atomstreitmacht fürchtet. Und je näher die Nachbarschaft zu Russland ist, desto größer ist die Angst. Die Deutschen wissen das und haben deshalb bisher 20 Milliarden Dollar an Krediten gegeben. Und die Russen wissen es auch und können weiter über Umschuldungen verhandeln.
Spätestens der im kommenden Jahr neu zu wählende Präsident wird wieder eine neue Runde Kredite loseisen. Denn ohne Devisen wäre Russland zahlungsunfähig, und das ist schlecht fürs Geschäft. Westliche Firmen haben nicht wenig investiert zwischen Leningrad und Wladiwostok. Und westliche Banken fürchten um ihre Sicherheiten. Der Handel muss also rollen. Deshalb bleibt zumindest für die Europäer nur eine Wahl: zähneknirschend zahlen. Reiner Metzger
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