Keine Ruh' um Liebig 14: Anschlag als Willkommensgruß
In das geräumte Alternativhaus Liebig 14 ziehen die ersten neuen Mieter. Die autonome Szene reagiert und zerstört Fenster - und das Auto eines Neubewohners.
Am Mittwochmorgen prangt es in schwarz gesprühten Lettern auf dem in der Liebigstraße geparkten VW: "Zieh aus". Die Scheibe der Fahrertür ist eingeschlagen, an zwei Reifen die Luft abgelassen. Dazu ein zweiter Schriftzug: "L14 bleibt".
Der Halter des Autos: ein 27-jähriger Mann aus dem Bördekreis im Westen Sachsen-Anhalts. Einer der ersten Neumieter des im Februar geräumten einstigen Alternativhauses Liebigstraße 14. Der Häuserkampf um das einstige Szenedomizil - er geht offenbar weiter.
Seit Juli seien die ersten Mieter im Haus, bestätigt ein Makler. Inzwischen seien fast alle Wohnungen vermietet. Mehr will er nicht sagen. Auch die Hausverwaltung des Eigentümers Suitbert Beulker nicht. Sie verweigert gleich jegliche Auskunft.
Umso lauter echauffiert sich die autonome Szene. Offenbar seien beschädigte Fenster und "Bitumspuren (aus Erdöl gewonnenes Gemisch, die Redaktion) an der Fassade" das "Flair", das der Neumieter suche, heißt es in einem linken Internetportal. "Für diesen Pionier anscheinend kein Grund, nicht die Taschen von Suitbert Beulker zu füllen." Die Aufwertung des Kiezes gehe "scheinbar unaufhaltsam ihren Gang". In einem anderen Beitrag heißt es mit Verweis auf den VW-Anschlag: "Der Kampf gegen Suitbert Beulker und seine Clique wird weitergehen."
Seit Monaten wurde das vor der Räumung von den Bewohnern schwer verbarrikadierte Haus komplett saniert. Auf einem Immobilienportal im Internet werden aktuell noch fünf Ein- bis Dreizimmerwohnungen beworben. Auf Fotos sind weiß gestrichene Zimmer zu sehen, abgezogene Dielen, runderneuerte Bäder mit blau-weißen Kacheln. Die Treppe im Aufgang ist blau bepinselt, die Wände sind bis Hüfthöhe rot gestrichen. Eine 106-Quadratmeter-Wohnung wird für 1.117 Euro Warmmiete angeboten, eine Einzimmerwohnung mit 41 Quadratmetern für 420 Euro.
Mit einem "prächtigen Miethaus" wird in den Annoncen geworben. "Sehr ruhige Lage im Herzen Ostberlins", eine Nachbarschaft mit "Gegensätzen zwischen hochwertigem Wohnen und der ursprünglichen sozialen Struktur aus Altmietern und Alternativen". Als Adresse heißt es nur "Rigaerstraße". Das ist nicht gelogen: Das Eckhaus soll fortan vom Hinterhof betreten werden, über den Eingang des Nachbarhauses in der Rigaer Straße 96, ebenfalls in Beulker-Hand.
Die autonome Szene hatte nach der Räumung der Liebig 14 angekündigt, "weiter keine Ruhe zu geben" - und dies auch wahr gemacht. Immer wieder flogen Steine und Farbflaschen auf Fassade und Fenster. Im Mai deckten Unbekannte Teile des Dachs ab, verwüsteten den Dachstuhl, sägten Balken an und beschädigten Heizungsrohre. Im Juni wurde auf dem Dach Feuer gelegt, die Feuerwehr löschte die Flammen.
Die Polizei reagierte mit einer versteckten Video-Überwachung, die im Juli von Nachbarn enttarnt wurde und wieder abgebaut werden musste. In einem Bekennerschreiben zu den Anschlägen wird vor Einzügen in das Liebig-Haus gewarnt: "wer dort einzieht, wird sich unglücklich machen. das verkraftet kein geldbeutel, bezahlt keine versicherung."
Der jüngste Streich der Liebig-Guerilleros folgte am Mittwochnachmittag. Eine Anwohnerin bemerkte elf zerstörte Fenster im Liebig-Haus. In die Scheiben waren kreisrunde, nur wenige Zentimeter große Löcher gebohrt worden - über mehrere Stockwerke verteilt. Wie, darüber rätselte die Polizei am Donnerstag noch. Der Staatsschutz ermittle, ebenso zu dem Auto-Anschlag, sagte ein Sprecher. Gegen unbekannt, wie so oft.
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