Keine Rettung für Fehmarnsund-Brücke: Bröckelnde Brücke
Schleswig-Holstein und die Bahn prüfen vier Varianten für eine neue Querung. Die alte Brücke wird wohl dem wachsenden Verkehr nicht standhalten.
HAMBURG taz | Die Brücke über den Fehmarnsund ist auf Dauer nicht zu retten. Das ist die erste und wichtigste Erkenntnis aus brückentechnischen Untersuchungen von Deutscher Bahn und dem Land Schleswig-Holstein, die vor dem Abschluss stehen. Demzufolge werden mehrere Varianten geprüft, wie die Verkehrsverbindung auf der sogenannten Vogelfluglinie aufrechterhalten werden kann. Die Kosten dafür können bislang nur grob geschätzt werden: Sie dürften je nach Variante zwischen 100 und 300 Millionen Euro liegen.
Nach Einschätzung von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) wird die 51 Jahre alte Brücke zunehmendem Verkehr nach Fertigstellung des von Dänemark geplanten Ostseetunnels im Fehmarnbelt nicht standhalten können. Kurzfristige Sperrungen der Brücke mit zwei Fahrspuren und einem Bahngleis befürchtet Meyer allerdings nicht. „Mir liegen solche Informationen nicht vor“, stellte er am Dienstag klar. Darüber hatten der NDR und das Hamburger Abendblatt spekuliert – „ohne jede Grundlage“, wie aus angesäuerten Kieler Regierungskreisen verlautet.
Die Deutsche Bahn bestätigte auf taz-Anfrage, dass die Straßen- und Bahnbrücke „stand-, betriebs- und verkehrssicher und für die aktuellen Verkehrsbelastungen tragfähig ist“. Allerdings hatte bereits Anfang vorigen Jahres eine Untersuchung ergeben, dass „aufgrund von Materialermüdung für einzelne wichtige Träger und Pfeiler eine geringe beziehungsweise keine Restnutzungsdauer“ gegeben sei. Diese Prognose bezieht sich darauf, dass nach Fertigstellung einer festen Fehmarnbelt-Querung im Jahr 2022 täglich bis zu 78 schwere Güterzüge über den Sund fahren sollen. Diese wären mit 835 Metern fast so lang wie die 963 Meter lange Brücke – und würden diese folglich mit ihrem gesamten Gewicht belasten.
Suche nach der besten Variante
Die Meerenge trennt die Ostseeinsel Fehmarn vom schleswig-holsteinischen Festland.
Der Sund: Er verbindet die Kieler und die Lübecker Bucht, ist etwa acht Kilometer lang und zwischen 600 und 900 Meter breit.
Die Brücke: Sie ist 963 Meter lang, die landseitigen Rampen dazugerechnet sogar 1.300 Meter. Sie trägt zwei Fahrspuren, ein Bahngleis und einen Fuß- und Radweg.
Die Passage: Die Durchfahrt für Schiffe unter dem markanten Stahlbetonbogen - welcher der Brücke den Kosenamen "Kleiderbügel" einbrachte - ist 248 Meter breit und 23 Meter über Normalnull hoch, der Tiefgang liegt zwischen vier und elf Metern.
Deshalb wird zurzeit von der Bahn eine Studie über mögliche Varianten erarbeitet, die Anfang September im Bundesverkehrsministerium präsentiert wird. Darin werden nach taz-Informationen vier Alternativen auf ihre Realisierbarkeit untersucht: Sanierung der jetzigen denkmalgeschützten Brücke und Neubau einer zweiten Bahn- und Straßenbrücke, Umbau der alten Brücke zu einer dreispurigen Straßenbrücke und Neubau einer Bahnbrücke für die schweren Güterzüge, vollständiger Brückenneubau oder Bau eines Tunnels. Letztere Variante war bereits vor drei Jahren kurz diskutiert worden, aber am Widerstand des damaligen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) gescheitert. Der wollte für den Fehmarnsund keinen Cent rausrücken. Nun aber kündigt das Ministerium an, dort „perspektivisch kräftig zu investieren“.
Etwa 300 Millionen Euro würde der Tunnel kosten – sofern er nach dem Modell des Fehmarnbelt gebaut würde. Dort will die dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S für 5,5 Milliarden Euro 89 Tunnelelemente von 217 Metern Länge auf den Meeresboden zwischen den jetzigen Fährhäfen Rødby auf der dänischen Insel Lolland und Puttgarden auf Fehmarn stellen. Für den knapp einen Kilometer breiten Fehmarnsund würden lediglich sechs bis sieben weitere Elemente gebraucht.
In jedem Fall indes würde die Anbindung des Fehmarnbelt-Tunnels an das deutsche Straßen- und Schienennetz erheblich teurer als zunächst veranschlagt. Vor fünf Jahren wurden die Kosten für den Ausbau bis nach Lübeck mit rund 840 Millionen Euro angegeben. Der Bundesrechnungshof kalkuliert bereits mit dem doppelten Betrag. Hinzu kommen Mehrkosten in noch unbekannter Höhe für eine neue Trassenplanung, die Land und Bahn kürzlich zum Schutz der Ostseebäder vor dem Lärm der Güterzüge vereinbart haben.
„Alles in allem werden nicht einmal 2,5 Milliarden Euro reichen“, sagt die schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn (SPD), im Haushaltsausschuss des Parlaments für Verkehrsprojekte zuständig. Hunderte Millionen für eine neue Querung des Fehmarnsunds kämen noch obendrauf. Das Geld solle laut Hagedorn besser „für sinnvolle Maßnahmen verwendet werden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?