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Keine Kippa für RichterDer Kopf bleibt frei

Dürfen religiöse Symbole aus dem Gerichtssaal verbannt werden? Baden-Württemberg plant ein Gesetz – trotz verfassungsrechtlicher Bedenken.

Als Richter in Baden-Württemberg wäre dieser Papst nicht geeignet Foto: dpa

Stuttgart taz | Wie gut, dass der britische Spitzenjurist Rabinder Singh seine Richterkarriere nicht in Baden-Württemberg gestartet hat. Der gläubige Sikh und Sohn indischer Einwanderer richtet am englischen High Court – und trägt zur Robe den traditionellen Turban seiner Glaubensrichtung. In Baden-Württemberg könnte Singh so nicht Richter werden.

Nach einem Gesetzentwurf der grün-schwarzen Landesregierung dürfen Richter und Staatsanwälte künftig keine sichtbaren religiösen Symbole mehr tragen. Das Gesetz aus dem Hause von Justizminister Guido Wolf (CDU) sieht vor, dass sie weder ein christliches Kreuz, eine jüdische Kippa noch das islamische Kopftuch bei öffentlichen Verhandlungen tragen dürfen. Für Gerichtsmitarbeiter und Verteidiger gilt die Regelung nicht. Auch Schöffen sind davon ausgenommen. Baden-Württemberg ist damit Vorreiter.

Auch andere Länder planen entsprechende Regelungen, nachdem eine muslimische Rechtsreferendarin in Bayern erfolgreich dagegen geklagt hatte, dass sie ihr Kopftuch im Gerichtssaal ablegen sollte.

Wolf argumentiert mit der „Pflicht des Staats zu weltanschaulich-religiöser Neutralität“. Die Bürger erwarteten völlig zu Recht, vor einem unabhängigen und überparteilichen Richter zu stehen. Es müsse deshalb „jeder Anschein vermieden werden, dass Richter und Staatsanwälte religiös nicht neutral sind“, erklärt der Landesjustizminister.

In der Stuttgarter Koalition aus Grünen und CDU war das Gesetz lange umstritten. Aus Koalitionskreisen ist zu hören, dass der Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium zunächst ein Verbot für alle Amtsträger bei Gericht vorsah.

Kein Verbot für Schöffen

Die Grünen bestanden darauf, dass die Regelung nicht für Laienrichter gilt. Schöffen repräsentierten die Vielfalt der Gesellschaft, erklärt dazu der grüne Fraktionschef Andreas Schwarz. Der Gesetzentwurf, auf den sich CDU und Grüne jetzt geeinigt haben, sei eine pragmatische Lösung.

Wolf argumentiert mit der Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität

Aus den Reihen der Grünen gab es offenbar keinen grundlegenden Widerspruch. Nur Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich bislang skeptisch zum Verbot der religiösen Symbole im Gerichtssaal geäußert. Man müsse nun mal akzeptieren, dass es Religionen mit Kleidervorschriften gebe, hatte er noch vor einigen Wochen geäußert. Jetzt stellt sich auch der Obergrüne hinter den Gesetzentwurf.

Eine Regelung war aus Sicht der Justiz notwendig geworden, nachdem eine Jurastudentin in Augsburg im Juni geklagt hatte. Während ihrer Referendarzeit am Gericht war von ihr verlangt worden, im Gerichtssaal das Kopftuch abzulegen. Sie weigerte sich. Das Augsburger Verwaltungsgericht gab ihr Recht und monierte in seiner Begründung eine fehlende gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot bei Gericht.

Wenig Betroffene

Diese Frage betrifft bisher nur wenige Fälle. Nach Angaben des Stuttgarter Justizministeriums tragen derzeit gerade einmal zwei Rechtsreferendarinnen im Land ein Kopftuch, das sie nicht ablegen wollen. Insgesamt seien bisher zehn solcher Fälle bekannt geworden. Sie dürfen schon derzeit nicht offiziell bei Gericht auftreten, hätten dadurch jedoch keine Nachteile in ihrer Ausbildung so heißt es. Das Gesetz würde nun eine klare rechtliche Grundlage für dieses Verfahren liefern.

Ob die baden-württembergische Regelung vor dem Verfassungsgericht Bestand haben wird, ist allerdings offen. Schließlich bedeutet es, dass gläubige Juristen, die nicht bereit sind, sich von Kreuz, Kippa oder Kopftuch zu trennen, faktisch vom Richteramt ausgeschlossen werden.

Auch der Justizminister ist sich dessen bewusst. Wolf gibt zu: „Wir sind da auf schwierigen Pfaden unterwegs.“

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13 Kommentare

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  • Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich, oder gibt es eine vergleichbare Verpflichtung zum Kopftuch für Musliminnen wie es sie für männl. Sikhs gibt?

     

    Es ist schon erstaunlich, wie eine sich als links verstehende Zeitung für einen reaktionären Islam in die Bresche wirft.

  • & nochens -

     

    "… Auch Schöffen sind davon ausgenommen.…"

     

    Diese Regelung dürfte allerdings schon deswegen kassiert werden - weil sie gegen die Gleichheit der Richter verstößt. ~> have a look at -

     

    Art 92 Grundgesetz - GG - lautet:

    "Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.…"

     

    Dieser Regelung unterfallen & zwar gleichberechtigt ehrenamtliche Richter - uneingeschränkt!

    Eine etwaige wie auch immer geartete Abstufung/Differenzierung sieht die Verfassung aus guten Gründen gerade nicht vor.

    kurz - alles - was wie hier einer

    Kategorie - Richter 2.Ordnung - Vorschub leistet -

    Ist zwingend verfassungswidrig!

    EndeGelände.

    • @Lowandorder:

      & gerade solches zeigt natürlich - Welch tiefes Verständnis unter Ministerialen über die Dritte Gewalt -

      Art 20 GG - Den Richtern via Rechtsprechung a GG anvertraut - besteht!

      kurz - typisches Repetitor-Juristen-Niveau! & schon Kretschi hat sich ja Ähnlich suboptimal - & als exPauker! Verlautbart!

      Na Mahlzeit!

      ("Herz & damit Hirn!" - Wolfgang Neuss

      Ha noi. So siehste aus! Gell. ;)(

  • Ein Richter mit Turban, der britisches Recht spricht, ist ein Richter mit Turban, der britisches Recht spricht. Analog: ein Richter mit Kippa, eine Richterin mit Kopftuch usw. usf..

     

    Mir ist das Denken zu schlicht, man könne an der Kleidung festmachen, wes Geistes Kind darin stecke. So wie in den Comics meiner Kindheit, wo Bösewichte auch so aussahen.

     

    Hier werden Vorurteile von der falschen Seite bedient.

    • @Lesebrille:

      Wenn es in irgendeiner Weise darum ginge, festzumachen, wes Geistes Kind in der Kleidung steckt, dann wäre der Vorwurf sicher berechtigt.

       

      Hier geht es aber um ein ganz anderes Thema:

      Das Vertrauen in den Rechtstaat durch die von ihm betroffenen Personen.

       

      Die Frage ist nicht, ob man davon ausgehen muss, dass ein Richter mit religiösen Symbolen falsch urteilt.

       

      Vielmehr ist die Frage, ob Kläger und Beklagte Vertrauen in den Rechtstaat haben, wenn der Richter ein religiöses Symbol zur Schau stellt.

       

      Und dieses Vertrauen in den Rechtstaat ist ein ganz wichtiger Aspekt der Rechtstaatlichkeit an sich. Nur wenn Bürger dem Rechtstaat vertrauen, sind sie auch bereit, sich an ihn zu wenden, um ihre Rechte einzuklagen. Und nur wenn sie ihm vertrauen, sind sie bereit, für sie ungünstige Urteile zu akzeptieren.

      • @kleinalex:

        "Vertrauen in den Rechtsstaat" entsteht durch das, was der Richter sagt.

         

        Nicht durch die Kleidung, die er dabei trägt.

  • O tempora o mores - Welch Sittenwandel in dieser Zeit!

     

    Einst hingen zwar Kreuze in den Gerichtssälen.

    Aber wenn in der Penne ein Pauker mit nem Kreuzchen am Kettchen oder am Revers auffiel -

    Ging man zum Direx oder fragte direkt nach &

    Das Teil verschwand.

    Den einzigen bekannten SPD-Lehrer - &zack mit ´ner

    Stecknadel mit rotem Köpfchen am Revers -

    Verwickelte man in ein fachlich-männliches Gespräch über Hilfsmittel beim Scheidenkrampf

    (ok - nur a weng gelogen) - Aber das Teil verschwand!

     

    Heute - Sind die Kreuze - so ab Anfang der 80er - Von den Wänden der Gerichtssäle entschwunden - Ok - überall?

    Aber ein Bet-Bruder - exKler&exPersetter -

    Findet Richter mit Kippa - & ich rechne mal hoch -

    Mit Kreuz Turban Tuch Bhagwani-Strampelanzug & Mala

    (doch doch - gab´s schon mal ~> HH) ...ff

    Was vergessen?.... Findet er rechtsprechend in Ordnung.

    Aber Hallo! Jetzt - als MP wie Ziethen aus dem Busch & Aus grün-schwarzer Koalitionsräson & eh -

    Er sich nen Wolf läuft - Erhebt er keine Einwände mehr.

     

    kurz - frauman reibt sich erstaunt die Äuglein.

    Mach Posse.

    (ps - es sei daran erinnert - daß die Richterroben -

    (ein Barett fliegt von einem älteren Kollegen zur

    Gaudi der Kids & jetzt Enkel noch rum!;))

    Also - daß die Richterroben auf den Togen im alten Rom beruhen - Die den Anwälten vor Gericht oktroyiert wurden. Sie sollten deren ordnungsgemäßes gerichtsangemessenes Auftreten garantieren -

    Indem sie die aufgrund der schon damals vorherrschenden Juristenschwemme deren

    Zerschlissene ärmliche Alltagskleidung decken sollten.

    Dem ist bis heute nichts hinzuzufügen.!;)

  • Ich bin selbst Christ, finde es aber gut, wenn das Tragen jeglicher religiöser Symbole Richtern im Amt nicht gestattet ist. Denn im Gerichtssal sind sie zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet. Religiöse Symbole wie Kippa, Kopftuch oder Kreuz würden die richterliche Unabhängigkeit äußerlich anzweifeln lassen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich möchte mal sehen, was passiert, wenn ein Metal-begeisterter Richter mit umgedrehtem Kreuz im Gericht auftaucht.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Gute Frage, ist ja schließlich eigentlich das Petruskreuz und gehört damit zu den wichtigeren Symbolen der katholischen Kirche.

  • Wer im Namen der Bundesrepublik Deutschland Recht spricht, für den sollten Grundgesetz und andere Normen unseres Rechtsstaat klaren und eindeutigen Vorrang vor allem anderen, insbesondere vor eigenen religiösen Überzeugungen haben. Wer damit nicht klar kommt, soll sich einen anderen Job suchen. Die Weigerung von Muslimas, im Gerichtssaal auf das Kopftuch zu verzichten, kann ein Hinweis darauf sein, daß sie eben nicht bereit ist, dem geltenden Recht dieses Landes zur Durchsetzung zu verhelfen, auch dann, wenn die Scharia anderes nahelegt.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @yohak yohak:

      ...und so auch mit Kreuz-Halskettchen oder Kreuz-Tätowierungen? Oder doch nichT? Ist ja Leidkultur...

      • @1714 (Profil gelöscht):

        "Oder doch nichT?"

         

        Ich wüsste jetzt nicht, warum yohak yohak mit den "eigenen religiösen Überzeugungen" nicht alle "eigenen religiösen Überzeugungen" sondern nur bestimmte "eigene religiöse Überzeugungen" meinen sollte. Das gibt der Text nicht her.