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Keine Heirat ohne Hähnchen

■ Typisch Bremisch (6): Vom Kampf der Obrigkeit wider die Hochzeitsbräuche

Bis in die schrägen Abseiten bremischer Geschichte begab sich das Seminar „Typisch Bremisch“ an der Uni Bremen im vergangenen Semester – und förderten einige Kuriositäten zutage. In einer kurzen Serie über Bremensien stellen die KulturwissenschaftlerInnen den LeserInnen der taz ihre Fund- stücke vor.

Wer sich gern über das Geschepper der Blechbüchsen oder das fröhliche Gehupe beschwert, das heutzutage die frisch Vermählten beim Hochzeitskonvoi begleitet, der kennt die liebeswürdige Geschichte dieses Brauches nicht. Denn zumindest was den Lärm anbetrifft, haben es die Vorfahren nicht viel anders gehalten. Die Brautpaare im Mittelalter im Bremer Umland hatten zwar keine Blechgefäße am Pferdewagen befestigt, aber sie verstandes es, auf andere Weise mit Getöse die gewünschte Aufmerksamkeit zu erzielen.

Auf dem Lande war es üblich, daß lautes Peitschenknallen und das Krachen von Gewehrschüssen schon die Überführung der Aussteuer mit dem vierspännigen Brautwagen zum Haus des Bräutigams begleiteten. Auch in der Stadt wurde dafür gesorgt, daß der Transport der Brautaussteuer, die meistens nur ein paar Häuser weiter getragen werden mußte, möglichst viel Aufsehen erregte. Statt durch Lärm versuchten die Bremer, durch prunkvolles Auftreten ihren Besitz zu zeigen.

Da derlei Bräuche im Laufe der Zeit zu Übertreibungen führten, sah sich die Obrigkeit bereits im 15. Jahrhundert veranlaßt, reglementierend einzuschreiten. Die ersten Hochzeitsordnungen wurden verfaßt, in denen auch die damals bestehende Vier-Stände-Ordnung ihren Niederschlag fand. So war es zum Beispiel nur bei Bräuten des 1. Standes gestattet, daß alle Musikanten des Rates der Stadt dem Brautpaar zum Kirchgang voranziehen durften. Bei den Bräuten der übrigen Stände hatten die Trompeten und Posaunen hatten zu schweigen.

So gab es für jeden Stand unterschiedliche Vorschriften für die Gestaltung des Hochzeitsfestes. Die maximale Zahl der Gäste war vorgeschrieben und auch der Wochentag, an dem geheiratet werden durfte. Tanzen war nur bis 11 Uhr abends erlaubt, und dann mußten Braut und Bräutigam „ohne weitere Spiele und Singen“ zur Kammer abgeführt werden.

Bei allen Verstößen drohten Geldstrafen. Der Rat der Stadt hatte große Sorge, daß aufgrund zu ausgiebiger Prasserei „GOtt der allmächtige zu zorn und straff gereitzet / und zu einziehung seines segens bewogen“ sein könnte. Aber die Bürger der Stadt Bremen, die oft versuchten, die Hochzeitsord nung sehr großzügig auszulegen, wußten den Rat der Stadt zu be schwichtigen. So ließen sie während des Hochzeitsfestes für die Armen sammeln. Der Rat nahm natürlich mit „Wohlwollen“ das Geld in Empfang und vor allem die gute Absicht zur Kenntnis und war bereit, unter diesen Bedingungen ein Auge zuzudrücken.

Die Reglementierung auf dem Lande war zwar nicht ganz so streng, aber auch hier sah sich die Obrigkeit 1673 zu Büren und Grambke veranlaßt, „wider das Hahnen-Fordern“ einzuschreiten. Es hatte sich nämlich eingebürgert, daß man bis zum nächsten Morgen feierte und dann den Brautvater aufforderte, seine Gäste mit frisch zubereiteten Hähnchen zu beköstigen. Mit den Vorschriften von oben sollte vor allem verhindert werden, daß sich die Familien wegen solcher Bräuche wirtschaftlich übernahmen.

Sigrun Winkler

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