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Keine Förderung mehr für BikesharingAm falschen Ende gespart

Kommentar von Johanna Weinz

Der Berliner Senat will Bikesharing-Förderung auslaufen lassen. Das ist schlecht für die Verkehrswende und für Menschen in den Randbezirken der Stadt.

Instabile Verkehrswende: Berlins Senat will Leihrad-Förderung beenden Foto: Khang Nguyen/dpa

D ie weiten Strecken auf dem Fahrrad zurückzulegen, ist anstrengend in einer Großstadt wie Berlin – komplett darauf zu verzichten aber noch mehr. Gut, dass die Entscheidung gar nicht nötig ist, weil es schließlich Alternativen wie Bikesharing gibt: das kurzfristige Ausleihen von Fahrrädern in der Nähe.

Ausgerechnet in Berlin wird das in Zukunft schwieriger, denn der Vertrag zwischen dem Leihradanbieter Nextbike und dem Senat läuft Ende Juni aus. Das Leihradsystem Nextbike mit Sitz in Leipzig gibt es weltweit in über 300 Städten, in Berlin seit 2017. Es ist das einzige Leihradangebot, das vom Land gefördert wird – weshalb die Räder nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in den weniger rentablen Außenbezirken ausgeliehen und abgegeben werden. Noch: Denn „vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage“ will die Verkehrsverwaltung den Wettbewerb um das öffentliche Fahrradverleihsystem nicht erneut ausschreiben.

In den Außenbezirken spielt Bike­sharig eine wichtige Rolle für die „letzte Meile“, die Strecke zwischen Wohnung und nächster Bahnstation. Hier muss Nextbike nach Förderende Stationen rückbauen und hat auch bereits angekündigt, die Fahrtkosten zu erhöhen. Bisher kostete eine Fahrt bis 15 Minuten 1 Euro, zukünftig sind es 1,50 Euro. Besonders betroffen vom Sparkurs sind somit Menschen, die oft erst an den Stadtrand gedrängt wurden, weil das Wohnen dort noch bezahlbar ist.

Kritik an der Sparpolitik des schwarz-roten Senats kommt etwa von den Grünen. Verkehrssprecherin Oda Hassepaß kommentiert: „Während die CDU erbittert um jeden Pkw-Parkplatz kämpft, hängt sie leichtfertig Tausende Menschen ab.“ Sie verweist auf die schleppenden oder gar fehlenden Radverkehrsprojekte in Berlin.

Dabei sollte das Leitbild der autogerechten Stadt spätestens angesichts der Klimakrise doch der Vergangenheit angehören. Berlin als deutsche Hauptstadt müsste in Sachen nachhaltiger Stadt ähnlich wie Paris beispielhaft vorangehen: das Auto aus der Stadt verbannen. Hierdurch würden nicht nur Emissionen eingespart, sondern die Menschen profitierten auch von besserer Lebensqualität wie saubere Luft. Auch die Zahl der Verkehrstoten könnte sinken.

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Neben dem ÖPNV gehört dazu eben auch ein breit ausgebautes Radverkehrsnetz. Und zu beidem kann gerade Bikesharing einen wichtigen Beitrag leisten, indem zusätzliche Strecken abgedeckt und ans Bahnnetz angeschlossen werden. Im Innerstädtischen wiederum könnten problematische Strecken durchs kurzfriste Umsteigen aufs Fahrrad entlastet werden. Wer hier auf dem Fahrrad sitzt, überfüllt keine Bahn. Man muss kein großer Fahrradfreund sein, um das gut zu finden.

Und selbst wer ausschließlich auf dem eigenen Rad fährt, profitiert davon. Denn Bikesharing kurbelt das Fahrradfahren in der Stadt an, was langfristig die Infrastruktur verbessert und Fahrraddiebstählen entgegenwirkt. Denn mehr Mobilitätsangebote senken den Bedarf und sicherere Abstellmöglichkeiten erschweren den Diebstahl.

Subventioniertes Bikesharing ist in verschiedenen deutschen Großstädten – Hamburg oder Köln etwa – etabliert. In Hamburg gibt es das Stadtrad, in Köln Nextbike. Je nach Anbieter und Abo sind die ersten 30 Minuten kostenlos.

Mit der Einsparung beim Bikesharing geht Berlin gegen den Trend. Dabei wurde das Angebot gut angenommen, wie die Mobilitätszahlen zwischen 2018 und 2023 zeigen. Laut Fahrradverband ADFC hat sich die Zahl der Bikeshare­r:in­nen „mehr als verdoppelt“. Der Berliner Senat spart an Stellen, die die Gesellschaft nachhaltig und inklusiver gestalten würden, und sorgt damit für einen Rückschritt in der sozial-ökologischen Verkehrswende.

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Hat Geographie und Germanistik in Freiburg studiert. Begeistert sich besonders für Klimafragen, soziale Gerechtigkeit und Bewegungen.
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